Mandarin-Chinesisch und Spanisch sind weltweit, außerdem Deutsch zumindest innerhalb der EU nur drei der Sprachen, die mehr Menschen als erste Sprache („Muttersprache“, wahrscheinlich kommt der Vater einfach selten zu Wort) lernen als einen der englischen Dialekte.
Dennoch verkündet der Verband der Wirtschaftsjunioren Deutschland auf amüsante Weise:
Die junge Generation in der deutschen Wirtschaft fordert (…), Englisch als zweite Verwaltungssprache einzuführen.
Und zwar, weil:
In den allermeisten Unternehmen der jungen Wirtschaft ist Englisch bereits zweite Betriebssprache.
Ein native speaker des (welches?) Englischen dürfte sich von dem, was die plappernden Stilverbrecher in den barbierlosen Büros („junge Wirtschaft“) von sich geben, als weniger verstanden als vielmehr persifliert vorkommen, aber nehmen wir einfach aus dramaturgischen Gründen mal an, die „allermeisten Unternehmen der jungen Wirtschaft“ hätten in der Tat zum Beispiel britisches Englisch als „zweite Betriebssprache“ akzeptiert und adaptiert; dann wäre die vom Verband der Wirtschaftsjunioren Deutschland gezogene Folgerung trotzdem folgefalsch:
Die Mehrzahl hoch qualifizierter und gefragter Fachkräfte weltweit spricht Englisch, nicht Deutsch.
Kaum ein Zweit- bis Viertsprecher des Englischen aber vermag im Englischen auch nur annähernd so präzise Gedanken zu formulieren wie in seiner Erstsprache. Sicher: Dem Bandarbeiter an der Maschine ist’s wahrscheinlich egal, aber für Berufe, in denen der menschliche Austausch wichtig ist, scheint es mir doch nicht ganz unwichtig zu sein, dass die Teilnehmer an diesem Austausch auch das Spiel mit den Nuancen beherrschen. Die „Mehrzahl hoch qualifizierter und gefragter Fachkräfte weltweit“ allerdings spricht Mandarin-Chinesisch besser als Englisch. Mandarin-Chinesisch als zweite Verwaltungssprache einzuführen halte ich in Deutschland, dessen Behörden mitunter selbst mit dem „ß“ ihre liebe Not haben, zwar ebenfalls für eine nur mäßig gute Idee, aber deshalb zu dem an bildlichem Farbenreichtum armen zeitgenössischen Englisch zu greifen ist eine Lösung für ein Problem, das gar nicht besteht.
Die Prämisse des vorliegenden Geschwalls ist der „Fachkräftemangel“, aber, und da wiederhole ich mich, wenn ich mit 100 Euro in den nächsten Porscheladen spaziere, komme ich trotzdem ohne eigenen Porsche heraus. Dennoch beklage ich keinen „Porschemangel“ in Deutschland. Und genau so ist das mit Fachkräften auch: Eine Fachkraft, der gute Arbeitsbedingungen für gute Bezahlung in Aussicht gestellt werden, wird sich von einer vermeintlichen Sprachbarriere kaum aufhalten lassen.
Viele gehen deshalb, neben den angelsächsischen Ländern, lieber nach Skandinavien, Holland oder Estland. Dort wird Englisch gesprochen, auch auf dem Amt.
Skandinavien, Holland, Estland. Eurasien, Sachsen, Schweiz. Alles dasselbe, alles irgendwie Land. Ich finde es etwas bedauerlich, dass die Verfasser nicht aufführen, welche skandinavischen Länder Englisch als Amtssprache führen, aber ist ja nur Wirtschaft, da ist Präzision nicht so wichtig. Mir fallen im Übrigen viele mögliche Gründe ein, nach „Skandinavien“ zu ziehen. Dass man dort angeblich Englisch „auf dem Amt“ spricht, gehört nicht dazu.
Die Pressemitteilung schließt mit den Worten:
Gerade im Bereich der Pädagogik ist die Werbung, Sicherung und Weiterbildung qualifizierter Fachkräfte von großer Bedeutung. Denn Bildung ist unsere wichtigste Investition in die Zukunft.
Das glaube ich auch.