Diskussionen über einige Berufsgruppen in „sozialen Medien“ haben interessante Implikationen.
Ein recht aktuelles Beispiel ist dieser Beitrag (Archivversion) auf Twitter: Der Verfasser beklagt, dass in Wuppertaler Schulen „14.000 nagelneue Laptops und Tablets seit neun Monaten ungenutzt“ blieben, und schließt daraus, dass Lehrer zu „weltfremd“ seien, als dass man ihnen die Aufgabe der Verteilung und Einrichtung zuteilen sollte. In den Kommentaren unter dem Beitrag wird bisweilen angemerkt, dass Lehrer hier möglicherweise die falschen Adressaten für die Kritik seien, viele jedoch, womöglich selbst Lehrer, fühlen sich von der Formulierung offenbar persönlich getroffen und reagieren mit dem hochnäsigen Hinweis, wer Lehrer kritisiere, solle es „erst mal selber besser“ machen und bis dahin bitte schweigen.
Das halte ich für eine interessante Herangehensweise an ein Problem, dass nur derjenige es benennen darf, der selbst fähig und willens zur Lösung ist. Eine nicht minder interessante Wendung in diesem Geschnatter ist, dass diejenigen, die vom Verfasser des Beitrags verlangen, er solle es „selber besser machen“ und bis dahin die armen Lehrer in Ruhe lassen, in ihren eigenen Beiträgen Politiker der Unfähigkeit bezichtigen. Ein Teilnehmer des Geschnatters, der „erst mal selber machen und dann urteilen…“ schrieb und sich selbst „Vater, Wissenschaftler und Humanist“ nennt, scheint sein Twitterkonto seit längerer Zeit neben solchen Sperenzchen ausschließlich dafür zu nutzen, Politiker der CDU/CSU und Knallköpfe der AfD als unfähige Nullen herauszustellen. Meine Frage, ob das insgesamt bedeute, dass er zu blöd oder zu faul sei, um selbst ein besserer Politiker zu sein, wurde mit bescheuerten Witzbildern beantwortet, die hier zu reproduzieren selbst mir wirklich zu dämlich wäre.
Zwar halte ich viel davon, einer Kritik auch einen alternativen konstruktiven Vorschlag beizufügen, sofern ein solcher im jeweiligen Fall sinnvoll wäre (oft ist „lass den Scheiß“ das bestmöglich Konstruktive), und bin 2009 selbst politisch aktiv geworden, weil „selber besser machen“ eine wenigstens theoretisch – mal gucken, ob ich nach meinem Ausscheiden aus dem Quatsch mein Buch zum Thema vollendet haben werde – empfehlenswerte Maxime ist, doch vertrete ich nicht die Meinung, Kritik äußern dürfe nur, wer selbst in derselben Branche tätig ist; so erscheint es mir etwa durchaus legitim, die hohen Preise für eine Fahrt im ICE für eine Frechheit zu halten, ohne dass der Frechfinder selbst ein eigenes Fernverkehrsunternehmen führt.
Warum ausgerechnet Lehrer denjenigen Beruf ausüben sollten, der von jeder Kritik verschont bleiben müsse, wussten die Kommentatoren, die diese Ansicht vertraten, nicht näher zu begründen. Sie, die Lehrer, hätten sowieso schon einen schwierigen Beruf, dem sie unter schier unmenschlichen Bedingungen nachgehen müssten, da „dürfe“ man ihnen doch das Leben nicht noch schwerer machen: darin erschöpfen sich die etwas weniger blöden Antworten. Doch gilt das nicht für fast jeden anderen Beruf auch? Darf man eigentlich Prostituierte für die Qualität ihrer Arbeit kritisieren? (Ist nicht jeder Angestellte eigentlich auch ein sich Prostituierender?)
Ich zum Beispiel halte mich für einen nur mäßig talentierten Politiker, der an dem Versuch, es einfach mal selbst besser zu machen, bislang zuverlässig grandios gescheitert ist. Darf die AfD noch kritisieren, wer es – das Politikerdasein – auch mit großen inhaltlichen Differenzen auch nicht besser kann? Darf Lehrer kritisieren, wer selbst kein guter Lehrer ist? Ich meine: ja.
Frage zum Thema „besser machen“: Wenn der Internationale Strafgerichtshof die Zerstörung von Kulturgütern als Kriegsverbrechen betrachtet und die „Letzte Generation“ ihrerseits ein Kulturgut möglicherweise dauerhaft beschädigt hat, wären dann nicht erhebliche Sanktionen wenigstens überlegenswert?