Eilmeldung: Ein neues Jahr beginnt. Welcome back, my friends, / to the show that never ends. Die Menschen in meinem Taschenrechteck sind schon wieder skurril.
Ein Trivium für den Alltag, falls man mal wieder in einer noch langweiligeren Diskussion feststeckt: Am 16. Dezember 1773 warfen Einwohner Bostons 342 Kisten britischen Tees ins örtliche Hafenbecken, was bis heute als bedeutsames zeitgeschichtliches Ereignis verstanden wird. Ich musste an das damalige Zeitgeschehen denken, als ich mir irgendwann im nun vergangenen Jahr 2022 die Frage stellte, warum es eigentlich eine christliche, eine islamische, eine chinesische, eine jüdische und eine buddhistische Zeitrechnung gibt, aber keine heidnische. Etwas Recherche führe mich auf merkwürdige Websites, die zumindest meine Frage beantworteten: Man füge hierfür dem „christlichen“ Jahr 250 Jahre hinzu. Hätte diese Zeitrechnung sich anstelle dem keineswegs vernünftiger begründeten gregorianischen Kalender durchgesetzt, begingen wir heute also den Jahresbeginn 2273. Im Film fliegen 2273 bereits Raumschiffe herum und bei uns kommt bloß der Zug zu spät.
Im jüngst abgelaufenen Jahr habe ich zwar nicht meinen Kalender, aber zumindest meine Temperaturmessung umgestellt, mehrere Musikgruppen und ein weiteres Mal den großartigen Max Goldt live gesehen, einen Dachschaden publik gemacht sowie mehrere einst lebensrelevante Personen durch andere mittlerweile lebensrelevante Personen (die erfolgreichste dating-app ist für uns Menschen mit fragwürdiger Frisur, fragwürdigem Gesicht und fragwürdigem Humor anscheinend, ganz unabhängig vom letztendlichen Vorhaben, das Warten, was passiert; nimm dies, Tinder bzw. Wer-kennt-wen bzw. klebrige Kneipe im klebrigsten Stadtviertel, je nach Veranlagung) ausgetauscht, mit Letzteren teils verdächtig viel (hier das groß- oder wenigstens irgendwie mütterliche „naaaaa?“ einfügen, das Groß- oder wenigstens irgendwie Mütter so von sich geben, wenn ihr Kind erstmals „ich mag ein anderes Kind“ sagt, als wäre „mögen“ nur zweieinhalb Stunden von „miteinander Nachwuchs kriegen“ entfernt und als hätte der Be-naaaaa?-te nicht bei manchen Menschen jedwelchen Geschlechts auch mal andere Gedanken als bloß so Gedanken) gemeinsam unternommen und bin entgegen meiner eigenen Erwartungen an mich selbst schon wieder in eine Partei eingetreten, weil ich nicht nur ein bisschen blöd bin, sondern auch mich selbst gern fürchterlich aufrege. Wenn ich jemals wieder aus der Partei rausgehen sollte, erzähle ich vielleicht auch irgendwem, welche es dann gewesen sein wird. Ich bin ja nicht zum Spaß hier. „Der Geist der Liebe erfüllt den Kosmos“ (Tangerine Dream, „Alpha Centauri“), die dunkle Materie wäre damit auch geklärt.
Irgendwann demnächst sollte die Liste meiner meistgehörten Musik des Jahres jenseits meines Plattenspielers publik werden, meine Jahresbestenliste dauert wahrscheinlich nicht ganz so lange, wird mir aber auch weniger peinlich sein. Viele Musiker hat es 2022 dahingerafft, einige von ihnen mochte ich. Je älter ich werde, desto schlimmer wird das. Hoffentlich besteht da keine Kausalität, sonst bitte ich um Entschuldigung. – In ihrer nächstgelegenen „Lounge“ hat die Deutsche Bahn die Pandemieschließung genutzt, um zwar ein schöneres Klo einzubauen, aber dafür die Kaffeetassen durch Chemiebecher mit fiesem Eigengeruch zu ersetzen. Schade, aber dann trinke ich dort halt keinen Kaffee mehr. Eine knapp entronnene Konstante des neuen Jahres, immerhin, gleich zu Beginn: Es wären just in diesem Moment dieselben Irren im selben Dorf gewesen, aber ich wollte nicht.
Draußen spielen sie schon wieder Weltkrieg oder jedenfalls Raketenschlacht. Die Lust an der Detonation bleibt so ungebrochen wie die Erwartung, im neuen Jahr werde man alles viel besser machen als im alten, als ändere der Mensch mit dem Umblättern des Kalenders seine selbstzerstörerische Art. Mein guter Vorsatz ist, dieses Jahr kein einziges Mal „frohsneus“ zu sagen, weil ich Menschen, die „frohsneus“ für eine anständige Begrüßung halten, für schreckliche Zeitgenossen halte. Prost Mahlzeit. Prost Neujahr.
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