„Hurra: Es wird ein Kraftjahr!“ Wie könnte ich einem Magazin widerstehen, das solche vollmundigen Ankündigungen in mein Blickfeld setzt? Daher griff ich zu und bin daher nun im Besitz der aktuellen Ausgabe des Magazins „emotion“ – Unter- bzw. Übertitel: „Für Frauen, die ihren Weg gehen“. Hurra.
Im Leitartikel führt „Chefredakteurin und Löwe“ Friederike Trudzinski aus, dass eine designierte Astronautin ihr Heft im Wesentlichen bescheuert genannt habe, weil es Horoskope enthalte, allerdings kommen „die meisten von uns“, wie sie weiter schreibt, „den Sternen nie näher als beim Horoskopelesen“. Ich habe schon Schnaps getrunken, der mich den Sternen näher gebracht hatte als jedes Horoskop, aber ich bin auch kein Idiot und somit nicht unbedingt Teil der klassischen Zielgruppe der „emotion“.
Nicht mal dreißig der 148 Magazinseiten sind nach erster Schätzung als reine Werbung zu verstehen. Einerseits wüsste ich gern, wie die „EMOTION Verlag GmbH“ sich die Produktion überhaupt leisten kann, andererseits ist die Gefahr zu groß, dass ich so Dinge erfahre, die ich nicht hätte wissen sollen.
Diese Ausgabe der „emotion“ (auch eine interessante Idee für’s Kapital: „dort vorn geht’s zur Emotionsausgabe“) hat also zum Schwerpunkt die Astrologie. Das dreizehnseitige „Jahreshoroskop“ verspricht, pro „Sternzeichen“ kategorisiert in „Herzenssachen“, „Job-Chancen“ und „Mars-Mission“, wobei letztere Kategorie den Einfluss des Planeten Mars zusammenfassen soll oder so. Weil keiner außer mir große Lust haben dürfte, den esoterischen Quatsch zu lesen, kann ich – alles für die Leser! – froh verkünden: Niemand wird lange unglücklich im Beruf sein und alle werden irgendwie herzenszufrieden sein. „Sex ist jetzt deine schönste Entspannungsmethode“, verspricht mir etwa „mein“ Horoskop für November und Dezember 2023. Unklar, womit ich mich vorher entspannen soll. Leider bin ich zu früh geboren; eine „gute Zuhörerin“ sind nur die Spätergeborenen (m/w/d). Siehste, Chef. Ich hab’s schriftlich: ich kann nichts dafür.
In einer falsch „Dossier“ beschrifteten Kolumne beantwortet Prof. Dr. Angelika Zirker, „Professorin für englische Literatur an der Universität Tübingen“, die Frage, ob fan fiction „die bessere Literatur“ sei. Nun kann das bekannteste Werk der fan fiction, die Bibel, im direkten Vergleich mit dem ersten Platz der „SPIEGEL“-Bestsellerliste Ende Oktober 2002, der „Autobiografie“ Dieter Bohlens, diesbezüglich kaum überzeugen, trotzdem schafft Prof. Dr. Angelika Zirker, „Professorin für englische Literatur an der Universität Tübingen“, es, die in der Überschrift gestellte Frage nicht zu beantworten, sondern stattdessen die völlig andere Frage zu beantworten, was fan fiction überhaupt sei und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft habe. Kann ich ja verstehen, es war einfach nicht genug Platz im Druck, denn direkt darauf folgt ein Gespräch mit Tokio Hotel. Wie lange habe ich geschlafen?
In einem anderen Rückgriff auf olle Kamellen lässt Sarah Kessler „Politikerinnen von SPD, Grünen und FDP sowie zwei Expertinnen“ (ich neige dazu, das als Kontravalenz zu verstehen) einen „großen ‚Gedöns‘-Check“ durchführen, indem der Einfluss des Feminismus und des Queeraktivismus auf die zeitgenössische Politik mit einem Rückgriff auf ein olles Gerhard-Schröder-Zitat überprüft wird. Die erste Frage geht an Ulle Schauws von den Grünen, die gefragt wird, ob der Partner der Fragestellerin eine größere Gefahr für sie sei als Krebs, woraufhin Ulle Schauws antwortet, „solche Vergleiche“ seien „schwierig“. Das Niveau bleibt ungefähr so, bemerkenswert sind ansonsten eigentlich nur die Frage an Leni Breymaier (SPD und auch sonst merkwürdig drauf), warum „trans Frauen“ kein Blut spenden dürften, obwohl „trans“ doch ein Adjektiv ist und es daher „transe Frauen“ heißen müsste, und die Antwort von Leonie Stamm („Expertin“) auf die Frage, was eigentlich die von Annalena Baerbock beschworene „feministische Außenpolitik“ sei, nämlich eine Außenpolitik, die „nicht mehr nur die Sicherheit des Staates“, „sondern die Sicherheit von Individuen“ berücksichtigen möchte. Kennt man ja: Staat ist, wenn es keine Menschen gibt.
„Travel-Bloggerin Selena Taylor“ wird in einem Reisebericht aus Lech am Arlberg in Österreich mit den Worten zitiert, sie fühle sich beim Blick auf die dortige Landschaft „wie in einer Schneekugel“. Man möchte der Dame Schwindeltabletten geben.
Am 1. Februar 2023 soll die nächste Ausgabe der „emotion“ erscheinen, dann unter anderem mit einem Text zum Thema „bewusstes Atmen“ beziehungsweise zum Besuch eines „Atem-Retreats“. Fühlt ihr euch auch schon so kräftig?
Bist du im falschen Körper aufgewacht,
oder was ist da los, Tux ( Tuxe, Tucke ) ?
Ja, leider wieder nur in meinem.
Bist du ein Mädchen, ein Mädi-Mädi ?
Die Frau im Spiegel hat dich doch
früher kalt gelassen ?!
Frage, wieviel Geld bekomme ich wenn ich
so ein Schundblatt erwerbe ?
Minus mehrere Euro.