„Sag mal“, fragte eine ansonsten liebe Freundin mich vor ein paar Monaten, da ihr eine meiner Einlassungen im währenddessen geführten Gespräch anscheinend missfallen hatte, „bist du eigentlich Autist?“. Die Frage traf mich unvorbereitet, denn für so typisch autistisch hatte ich meine Kommunikation mit ihr gar nicht gehalten.
Ja, antwortete ich darum, das sei ich.
Was ich davon habe? Ich komme preiswerter in hässliche Zoos, kann also für weniger Geld nicht artgerecht gehaltene Tiere angucken als andere Menschen (immerhin derzeit mit Maskenempfehlung, damit wenigstens nur ein Teil der Lebewesen ein anstrengendes Restleben haben möge). Und sonst? Ich kriege einen mittelschweren Rappel, wenn ich mich in soziale Situationen begeben muss, die nicht mit lange Bekannten bestritten werden können, und einen oberschweren, wenn mich wer anrufen will, den ich nicht wirklich gut kenne. Kopfhörer mit Musik darin halten mich von ständiger Implosion im öffentlichen Raum ab, Weihnachtsmärkte beinhalten (neben den Scheißgerüchen, den Scheißliedern, den Scheißbretterbuden und den Scheißbesuchern) mindestens eine zusätzliche Ebene der Last. Ich möchte nicht von mehreren Gesprächen am selben Tisch die Orientierung verlieren, aber es ist eben so und es ist vermeidbar. Ich möchte nicht mental komplett herunterfahren, wenn sich im Zug fremde Menschen neben mich setzen, aber es ist eben so und es ist vermeidbar. Sie bauen Rollstuhlrampen auf und hängen ein Blinklicht daneben, weil sie zu vieles nicht verstehen.
Ausgestrahlte Misanthropie ist Selbstverteidigung, vermeintlich fehlende Höflichkeit ist nicht mehr als nüchternes Desinteresse. Eine gute Pointe opfere ich nur äußerst ungern einem vermeintlich „falschen“ Moment. Es gibt Menschen, die das an mir zu schätzen behaupten. Die gesellschaftlich gewohnten Regeln sind nicht immer wichtiger als aufrichtige Irritation. Von einer unangenehmen Situation erholt man sich am einfachsten, indem man sich nicht in sie begibt oder sie wenigstens so schnell wie möglich wieder verlässt.
Man bot mir seinerzeit eine Therapie an, die die Diagnose nicht beeinflusst hätte, sondern allein dem Zweck gedient hätte, nicht so sehr aufzufallen. Kindern, die sich nicht „normal“ verhalten, gibt man Ritalin, Erwachsene mit mentaler Andersartigkeit kriegen eine Therapie, sonst wird das nichts mit der Gleichheit zur Brüderlichkeit. „Masking“ nennen manche Menschen es, wenn man sich quasi eine Maske (i.e. gesellschaftlich) aufsetzt, um nicht aufzufallen, aber ich mag die Disruption. Oh, ein Wespennest – ich steche mal rein. Disruption demaskiert vor allem die Anderen und das ist lehrreich beim Menschengucken. Es macht keinen Spaß, Schauspieler auf der Bühne zu sehen, wenn man eigentlich nur wissen möchte, wie sie in der Pause miteinander umgehen.
Ich bin kein Regenmann, ich löse kein Quecksilberpuzzle. Ich bin nicht krank, ich werde nicht unmittelbar daran sterben (allenfalls wird mich jemand erschlagen, die Bewerbungen sind noch offen) und niemand wird mich jemals heilen. Ich bin auch nicht behindert, obwohl eine grüne Plastikkarte mir etwas anderes unterstellt. Ich brauche keine Hilfe und ich möchte kein Mitleid. Ich bin Autist und das ist völlig in Ordnung.
Nachtrag: Auf Twitter wies man mich darauf hin, dass Ritalin nicht als Mittel gegen Autismus verabreicht wird. Das ist zwar richtig, war aber auch nicht gemeint. Ich habe den entsprechenden Satz etwas ergänzt.
Was genau steht da unter der unkenntlich gemachten Stelle?
Der Name?
Der Name.
Ich hatte gefragt, was dort genau steht. Es bleibt zu hoffen, dass es sich um Deinen Namen handelt. Denn handelte es sich bei Deinem Beitrag um einen Deiner Fakes (ich erinnere nur an Facebook), wäre dies eine unverzeihliche Verhöhnung tatsächlich Betroffener.
Es handelt sich um meinen. Aus möglicherweise nachvollziehbaren Gründen werde ich ein unredigiertes Bild davon nicht öffentlich zugänglich machen.
Verstehe, denn das würde auch mit Deinem Impressum kollidieren.
Ich tippe auf ‚ ‚. Danke für deine Offenheit, nur so – so meine Hoffnung – kann man dich so respektieren und annehmen wie du bist. Du bist völlig in Ordnung.
Naja.
Besser wird’s halt och ned
Geltungsdrang und Eitelkeit spielen keine Rolle, wenn einem andere scheißegal sind. Auf sich geworfen, ist man mit einer sauberen Unterhose zufriefen.
Die Probleme machen die Vorturner, die ewigen Vorturner !
“ Schaut alle her…haha.…Ich schon wieder… !“
Da hast Du mit Greta Thunberg etwas gemeinsam. Und ds spricht in positivem Sinne für sich.
Ich bin empört und moniere das.
Ich empfehle einen scharf formulierten Brief.
Also ich halte ja eher den für gestört, der sich *gerne* in Massen wildfremder Menschn aufhält.
Du hast vollkommen Recht!
OT
“ Sagt mal, wo kommt ihr denn her ?“
“ Wir kommen aus der DDR.“
Der niederländischer Sänger Vader Abraham ist tot.
Bedauerlich.
Na da bin ich ja beruhigt! „Ist nur der Autismus! Sonst könne er mich evtl. dann doch vielleicht einigermaßen leiden!“ Ich „leide“ übrigens an der neuen Modekrankheit „Aphantasie“. Auch hier gilt: Krank sind wohl eher alle anderen.
Es leiden ja auch vor allem die anderen darunter.
Nicht, wenn ich alleine im Wald unterwegs bin. Dann nur ich.