Ein Selbstexperiment: Ich habe meine Temperaturanzeigen – ganz ohne sie kommt ja kaum ein mobiler Computer heutzutage noch aus – heute von Celsius auf Fahrenheit umgestellt. Der Auslöser dafür waren eine Importdose Dr Pepper mit zwölf Flüssigunzen Inhalt und eine lose damit verbundene Diskussion über das metrische System im IRC.
Wie wohl die meisten Menschen in meinem direkten persönlichen Umfeld bin auch ich mit der Einheit °C aufgewachsen, habe nie in den Vereinigten Staaten gelebt und habe auch nicht vor, daran jemals etwas zu ändern. Mir fallen weit interessantere Länder ein, in denen ich vielleicht eines Tages leben möchte. Allerdings halte ich mich für einen halbwegs vernunftbegabten Menschen und ziehe grundsätzlich gute und logische Lösungen für Probleme denjenigen Lösungen vor, die populär, aber (subjektiv betrachtet) schlechter sind. Sicher: Es gibt zahlreiche multimediale Abhandlungen über die Einigung der meisten Staaten auf die Celsiusskala. Fast alle von ihnen heben zwei vermeintlich gute Gründe für die Celsiusskala hervor: dass Gefrier- und Siedepunkt von Wasser bei kochthermometerfreundlichen runden Zahlen liegen und dass das metrische System, als dessen Teil die Celsiusskala betrachtet wird, sich viel besser für Umwandlungen eigne.
Nun ist der Umstand, dass bereits seit 1990 der Gefrierpunkt von Wasser als etwas über 0 °C, der Siedepunkt von Wasser jedoch als etwas unter 100 °C definiert ist (oder andersherum), ein treffendes Argument gegen die Kochthermometerargumentation. Auf meinen Thermometern stehen 0,002519 °C und 99,9743 °C jedenfalls nicht drauf. Während auch die Fahrenheitskala ihren früheren Fixpunkt des Gefrierpunkts von Wasser bei 32 °F verloren hat, ist der Siedepunkt von Wasser bei 212 °F immer noch ein offensichtlich besser ablesbarer Wert als 99,9743 °C. Lassen wir dieses physikalisch überholte Argument (Physik interessiert sich nicht für menschlichen Konsens) also mal beiseite und betrachten wir stattdessen die Implikation, das metrische System sei für Temperaturskalen wichtig oder auch nur vorteilhaft, etwas genauer.
Sicher: Das metrische System ist trotz aller Verteidigung ein erträglicheres System für Maßeinheiten des Gewichts und der Entfernung. Bruchteile und Mehrfaches von Meter und Gramm werden im Alltag häufiger gebraucht, das Rechnen im dafür genutzten Dezimalsystem ist im Kopf erfreulich unanstrengend und bedarf nicht mal der plötzlichen Umbenennung der Zieleinheit, nur das Präfix kann (und sollte) geändert werden, wenn man ein paar Silben und/oder Nullen sparen möchte. Sparen ist gerade wichtig. Wann aber begegnete mir zuletzt im Alltag die Notwendigkeit, einen Stoff auf ein Dezigrad Celsius zu erwärmen oder abzukühlen? Wie oft brauchen Menschen, die nicht gerade einen saftigen Vollknall haben und die Schulzeit hinter sich gelassen haben, die Einheit Kilograd Celsius? In was genau will man im metrischen System eine Temperatur jemals einfach umrechnen können? Es ergibt keinen Sinn. Mehr noch: Zum Messen von Temperaturen – insbesondere draußen – ist die Fahrenheitskala auch aufgrund ihrer höheren Präzision besser geeignet als die Celsiusskala.
Ich erwarte nicht, dass sich der nicht US-amerikanische Teil der Erde nur aufgrund meiner Ausführungen jetzt wieder auf Fahrenheit einigen kann. In der öffentlichen Kommunikation sind „zwanzig Grad“ hierzulande in der Regel 20 °C, unnötig die Menschen irritieren muss man ja nicht immer, sofern man sie schätzt. Die Temperaturanzeige auf den eigenen Geräten lässt sich aber ja oft recht einfach umstellen. Warum nicht erst mal damit anfangen?
Nachtrag: In den Kommentaren wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Messung der Siedetemperatur von Wasser nur bei einem Luftdruck von 1013,25 hPa die genannten Werte zum Ergebnis hat. Die Celsiusskala ist also aus noch mehr Gründen als bestenfalls alltagsfern zu bezeichnen.
Sehr gut. Auch wenn die höhere Präzision im Alltag sinnlos ist, weil es physikalisch gesehen sehr schwierig ist, Absoluttemperaturen zu messen. Die Firma Zeiss garantiert m.W. bei ihren Kalibrierungszertifikaten gerade mal ein halbes Grad Genauigkeit.
Misst du die Temperatur immer bei genau 1013,25 hPa? Nur dann wird Wasser bei deinen angegebenen Temperaturen sieden. Damit relativiert sich auch jegliches Geschimpfe über Kommastellen, denn kein Mensch hat irgendwo auf der Erde andauernd Normaldruck. Da könnte man genauso fragen, warum das Meter genau einen Meter lang ist. Aber vielleicht ist ja °Ra (Rankine) was für dich. Beginnt mit 0 beim absoluten Nullpunkt und hat die gleiche (höhere) Auflösung wie Fahrenheit.
Viel wichtiger fände ich, endlich mal etwas mit dem verhunzten Kalender und der Uhr zu tun. Mit dieser unmöglichen Aufteilung in Wochen, Monate, Stunden, Minuten usw. kann kein Mensch vernünftig rechnen.
Außerdem brauchen wir eine bessere Jahreszählung als ausgerechnet „n.Chr.“, aber dazu schreibe ich zu Neujahr vielleicht noch was. Rankine hatte ich mir angeguckt, aber das ist im Alltag echt unpraktisch: gibt ja nicht mal Thermometer dafür! Und die Zahlen sind mir für den Alltag – und darum geht es hier – ein bisschen zu groß. Ich schrieb ja auch oben: das physikalische Argument ist einfach keins – der Alltag hat keine Laborbedingungen.
Der französische Dezimalkalender war ja nicht so ein Erfolg der Revolution, ne. Überleg mal, warum!
Ich messe meist nach Gefühl. So vermeide ich Brandwunden und das Erfrieren.
Fahrenheit ist halt die Spanne zwischen zwei relativ extremen Außentemperaturen, die man mal irgendwo angetroffen hat. Von daher ist es für Angaben zum Wetter relativ intuitiv und brauchbar.
Aber halt für nichts anderes! (naja, fast – z.B. Fieber passt zufällig auch gut)
Für alles was irgendwie technisch ist, will man eigentlich Kelvin – oder halt Celsius, weil die Umrechnung zumindest trivial ist. Mit Fahrenheit tritt man sich schnell Ungenauigkeiten und ähnlichen Ärger ein.
Und richtig dumm wird es halt, wenn man doch mal irgendwas rechnen will. Da hat Otto Normal zwar weniger Kontakt ‚mit, weil er selten mit Temperaturen rechnet, aber nicht jeder ist halt Otto.
Umrechnung? In was?
In GB.