Die Linke, entnehme ich den Nachrichten vom Wochenende, „streite“ sich um den richtigen Umgang mit Sahra Wagenknecht, eine „selbstzerstörerische Streitkultur“ wird beklagt. Da hat sich der Zuwachs um altgediente Piratenpolitiker seinerzeit ja richtig gelohnt. Der jüngste Einwand gegen Sahra Wagenknecht, der aus der Partei herausschallt, ist ein merkwürdiger Wettbewerb: Wer wohl die gefährlichste Partei im Bundestag sei – die Grünen (sagt Sahra Wagenknecht) oder die AfD (sagt Dietmar Bartsch). Niemand soll behaupten, die vermeintlich politische Linke kümmere sich gar nicht mehr um die wirklich wichtigen Fragen der Gesellschaft.
Der „heiße Herbst“, der in einer Zeit rasender Inflation Demonstrationen gegen die Regierung mit sich bringen soll, wird von den Demokratieabgegebenen vom WDR sicherheitshalber bereits eingeordnet (Archivversion): Wer die wirtschaftlichen Konsequenzen aus der bemerkenswert treffsicher nichts außer dem eigenen Fuß treffenden Sanktionspistole „gegen“ den Russen anprangert, der muss zweifellos rechtspopulistisch sein. Früher hatten Journalisten ja mal eine interessantere Aufgabe als die politische Einordnung zivilgesellschaftlicher Proteste, aber die Wahlerfolge der AfD scheinen einiges im Wertesystem verschoben zu haben.
So hat man als von den „Sanktionen“ tatsächlich negativ Betroffener (es sind nie Russen, es sind niemals Russen) letztendlich zwei denkbare Möglichkeiten, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen: Sie schweigend hinnehmen – oder eben doch demonstrieren, dann gern im Rahmen größerer Demonstrationen, denn ein Kasper mit einem Schild hat kaum eine Macht, bis er sich mit vielen anderen Kaspern mit jeweils einem Schild zusammenschließt. Sicher: Dies ist, allen Unkenrufen zum Trotz, noch immer nicht die Weimarer Republik, in der die Arbeiterklasse schlagkräftig und oft nicht sehr friedfertig für Frieden und Gerechtigkeit eintrat. Straßenschlachten würden niemandes Probleme lösen. Neu ist aber die Äquidistanz der öffentlichen Meinung zu den Linken und den Rechten. Sie beklagen das Wiederauftauchen des Hufeisens und sind es selbst, die es im Munde führen, wenn sie soziale Proteste einordnen. Ihnen hätte kaum Besseres als die AfD passieren können, denn allein ihre Zustimmung zu einem Anliegen genügt, um das Anliegen als falsch misszuverstehen.
In der Weimarer Republik waren die Unzufriedenen weniger zögerlich, denn das gemeinsame Anliegen von „Links“ und „Rechts“, die Überwindung der bestehenden Politik auf die eine oder die andere Weise, sorgte nicht dafür, dass ihre darüber hinausgehenden Unterschiede in der Betrachtung negiert wurden. Ein schlichtes „aber die sind rechts!“ ist nur begrenzt lange ein gewichtigeres Argument als die Heizkostenabrechnung und sollte ausgerechnet die späte Nachfolgerin der USPD, die Linke, nicht dazu bewegen, diejenigen abzuweisen, die sich gerade jetzt auf ihre politische Schützenhilfe verlassen können müssten.
Nichts von dem, was zu passieren droht, löst in mir ein zufriedenes Schmunzeln aus.
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