Bis zum nächsten Chaos Communication Congress ist es nicht mehr weit und die geplanten Vorträge stehen soweit fest. (…) Der #34C3 ist restlos ausverkauft.
Das Prinzip von Masse statt Klasse, das veranstalterseits seit Jahren fortwährend penetranter die hackerübliche und begründet bewährte Meritokratie ersetzt, damit auch diejenigen, die nichts können außer sich blöde T‑Shirts anzuziehen und sich die Haare zu färben, in inklusiver Manier nicht dazu angehalten werden müssen, auch mal was Vernünftiges zu lernen, damit sie sich mal nützlich machen können und nicht bloß vier Tage lang in der Fummelecke („Lounge“) abhängen, ist auch 2017 noch Antrieb und mäßig gut verborgenes Erfolgsgeheimnis des ehemaligen Hackervereins. Irgendwie linke Kongresstouristen aus der Peripherie fragwürdiger Vereine machen den Laden voll und sorgen für prima Presse, da ist ein weniger einladendes Umfeld für den traditionell eher introvertierten Nerd mit massenfremden Spezialinteressen allenfalls Kollateralschaden. Wer Informatik schon mangels Themenkenntnis nur aus Soziologensicht sieht, der wird scheitern. Christian Kahle jammerte heute auf „WinFuture“, dass es „nicht gerade erfreulich“ (ebd.) sei, dass viele Frauen – als sei das das wichtigste Kriterium – trotz all der teuren Förderung immer noch gar keinen Bock auf ein Informatikstudium hätten. Ich fürchte, beim „Congress“ würde diese Wortwahl nicht einmal mehr semantisch hinterfragt.
Es ist ja auch nur logisch: Nachwuchs aus eigenen Reihen gibt es nicht, also erhöht man stattdessen die Attraktivität des einstigen Fachkongresses für irgendwelchen Pöbel, der die sturzfreie Installation eines Plastiklaptops mittels einer Ubuntu- oder (das sind dann die ganz besonders großen „Hacker“) Kali-Linux-DVD schon für 1337e Computerei hält. Man nimmt eben, was man kriegen kann. Wenn die Niveauhürde zu hoch für das Publikum ist, man aber dringend mehr Wachstum, von einem Vereinssprecher als „Erweiterung des Kulturraums“, auf den der Veranstalter ja, durch die Vergrämung der Kernklientel nachgewiesen, ohnehin keinen Wert mehr legt, missverstanden, erzielen will, dann erhöht man nicht etwa das Niveau des Publikums, sondern legt die Hürde so lange tiefer, bis auch eine geistige Murmel sie zu überwinden vermag. Das nennt man dann nicht Niveauverlust, sondern Inklusion von „galaktischen Lebensformen“, denn man kann zwar auf einem „Congress“ außerhalb der Bühnen kaum noch Leute finden, von denen man wirklich Neues über höhere EDV lernen könnte, weil die nun etablierte Zielgruppe des „Congresses“ keine Motivation für mehr als ein langweiliges Rumgedrücke auf dem Smartphone (gern von Apple), damit die Navigationsapp den Weg zum nächsten Klo auf dem „Congress“ weist, mitbringen muss, aber wenigstens kann das jetzt jeder – einschließlich jener Menschen, die darauf bestehen, „galaktische Lebensformen“ zu sein, wofür es bestimmt auch irgendeinen medizinischen Fachbegriff gibt – kaum noch.
Und jeder macht reichhaltig davon Gebrauch, weshalb der 34C3, aus der Hamburger Heimat aufgrund von Baumaßnahmen, was ein angemessen sonderbares Wort für die Komplettsanierung des Hamburger Kongresszentrums ist, vorübergehend ausgeladen, in Leipzig stattzufinden hat. Nun hätte man von in Mathematik oder wenigstens (nicht einmal unbedingt wirtschaftlicher) Logik bewanderten Organisatoren erwarten können, sich zumindest vorstellen zu können, dass nicht nur geringfügige Probleme auftauchen könnten, wenn ein Kongress, der alljährlich die Hotels einer Stadt mit fast zwei Millionen Einwohnern ganz gut füllt, in eine Stadt umzieht, deren Einwohnerzahl nicht einmal ein Drittel der Einwohnerzahl der Ursprungsstadt ausmacht, aber beim „Congress“ sind qualifizierte Informatiker, für deren Beruf Kenntnisse in Mathematik und Logik beinahe zwingende Voraussetzungen sind, eben nicht mehr so gefragt wie Soziologen und Menschen ähnlich verzichtbarer Profession. So was kommt von so was: Es konnte ja keiner ahnen, dass die Hotels in einer kleineren Stadt als bisher plötzlich weniger freie Zimmer haben.
Wenigstens ist das Gebäude selbst groß genug, so dass diejenigen, die irgendwo in der Stadt noch eine freie Brücke für einen wenigstens überdachten Schlaf finden können, sich an zusätzlichem Platz für keine Hackerthemen erfreuen können. Zwar ist diesmal formell die Größe des Wattebäuschchen-Themenblocks „Ethik, Gesellschaft und Politik“ endlich wieder vergleichsweise klein und teilweise mit EDV-relevanten Themen besetzt, was ich zugegebenermaßen für ein Zeichen der Hoffnung am Horizont halte, jedoch wurde mir erst im Dezember 2016 aus CCC-Kreisen erklärt, dass die Anzahl an Vorträgen mit deren Umfang nicht besonders viel zu tun habe, weshalb ich mir eine voreilige Freude vorerst nicht erlaube. Ich wünsche mir, ich werde nach dem 34C3 Unrecht behalten haben.
Unter den „galaktischen Lebensformen“, die der „Congress“ als Besucher einlädt, sind klassische Hacker wenigstens auf dem Papier nicht die unbeliebtesten, denn man meinte, bebildert mit einem Aufruf zum Hass („hate fascism“, rationaler Pragmatismus ist halt nichts für Schneeflocken und Orchideen), das Web mit folgender Schwafelei belästigen zu müssen:
Wir bauen unseren kommerzfreien, offenen, und ja!, altruistischen Denkraum zum Mitmachen und zum Forschen an den Abgründen der Technik nicht dafür, um ihn mit rassistischen oder gewaltgeneigten Hohlbirnen zu teilen.
Das ist, bei allem Verständnis für Distanzierungsversuche, entweder eine glatte Lüge oder eine schlecht versteckte Bigotterie: Ich habe aus meinen bisherigen „Congress“-Besuchen die Erkenntnis gezogen, dass mit „gewaltgeneigten Hohlbirnen“ nicht nur Denkräume, sondern gern auch Bühnen geteilt werden, so lange es gute Gewalt ist. Als hohlbirnig werden die alljährlich mit ziemlich friedlosen Parolen ausstaffierten Aktivisten der „antifaschistischen“ Antifa zumindest von den Organisatoren anscheinend nicht wahrgenommen. Hasshass ist guter Hass.
Was politisch motivierte Agitation, die schon konzeptionell nicht gerade den Kopf, sondern ganz andere Körperteile des Publikums zu ködern versucht, in einem vorgeblich altruistischen Denkraum zu suchen hat, ist mir im Übrigen unklar. Hacken ist kreativer Umgang mit Technik, nicht Mittel zum destruktiven Frustabbau. Die durch das Hofieren des „schwarzen Blocks“ erfolgte Implikation, man könnte als „Hacker“ gar nicht linksextrem genug sein, ohne gegen die Hackerethik zu verstoßen, bei gleichzeitigem Ausstrecken des Mittelfingers gegenüber politisch eher konservativen bis gänzlich desinteressierten Hackern entspricht nicht meiner Beobachtung, dass erstens die meisten Hacker – von vereinsnahen Lesern meiner vorherigen Beiträge zum Thema als „echte Hacker“ (mit Anführungszeichen) verspottet, als wäre das eine geradezu unverschämte Beleidigung, was über die Vorgänge in den sog. „Hohlbirnen“ der Spottenden auch mehr aussagt als über die vermeintlich Verspotteten – sich als lagerfreie Forscher und nicht als politische Aktivisten begreifen und zweitens diejenigen Hacker, die tatsächlich Hackerdinge tun, ob sie nun Julian Assange oder Eric S. Raymond oder LulzSec heißen, in der medialen Darstellung selten als besonders sozialdemokratisch wahrgenommen werden. Leistung hat nur dann bleibenden Wert, wenn die Meinung passt: Wer im Umgang mit Technik selbst mangels Interesse auf die abendliche Runde „Candy Crush“ auf dem iPad beschränkt ist, aber sich menschlich ausreichend unschlecht in die sonstwie bunte Menge einfügen kann, der darf dann sogar die keynote halten.
Als im August dieses Jahres das ungeschickt als „linksextreme Seite“ bezeichnete Hassportal „linksunten“ entveröffentlicht worden war, beschwerten sich Mitglieder desselben Kulturkreises, der einige Jahre zuvor unter der Obhut des „Congresses“ vermeintlich „rechtsextreme“ Klamottenläden im Internet zu zerstören versuchte, darüber, dass es geradezu faschismuskonforme Zensur sei, dass man im Web nicht mal mehr harmlose Mitteilungsportale voller Aufrufe zu Brandanschlägen und sonstigem Scheißdreck veröffentlichen dürfe, als sei das Verbot gesellschaftsfeindlicher Propaganda nicht ganz in ihrem Sinne. Schon klar: Nazis sind halt keine Gesellschaft. Als ausgerechnet Teil der Vortragsreihe zu Gesellschaft und Ethik darf entsprechend auch eine Anwältin zu „linksunten“ was sagen:
Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk berichtet von den Razzien, von der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten und gibt Einblick in das juristische Vorgehen gegen Verbot und Zensur.
Anhand der Genehmigung dieses Vortrags unter der undifferenzierten Prämisse, es habe sich um bloße Zensur und damit um ein totalitäres Vorgehen gegen völlig valide und auch nach Vereinsrichtlinien ausnahmslos wünschenswerten Meinungen gehandelt, lässt sich nur dann kein deutlich zweifelhaftes Bild von den Veranstaltern zeichnen, wenn man den CCC-Blogartikel zum Thema „gewaltgeneigte Hohlbirnen“ noch nicht gelesen hat. Gewaltgeneigte Hohlbirnen, das darf man keineswegs missverstehen, sind offenbar nur dann nicht gern gesehen, wenn sie von „Linken“ angegriffen werden. Sind die Angreifer hingegen Sympathisanten oder gar Freunde der „Linken“ selbst, so gilt selbstverständlich Solidarität.
Das Motto des 34C3 lautet „tuwat“, inspiriert von der Einladung zum allerersten Treffen des späteren CCC im Jahr 1981. Im Rahmen des „Tuwat-Kongresses“ fanden damals allerlei Aktionen statt: Statt blöde in dunklen Räumen blinkende Lichter anzustarren, ging man auch mal raus und tat wat für Not leidende Menschen Plattenfirmen:
Am 7. September wurde die Funkausstellung besucht und gegen die Einführung der Compact Disc protestiert im Namen der Plattenlabels wie David Volksmund.
Das sagt über den 34C3 dann eben auch mehr aus als es denen, die das Motto vorgeschlagen haben, wahrscheinlich überhaupt klar ist.
Die erstaunlich vernünftigen Bundesländer Niedersachsen und Bremen haben den „Congress“ auch in diesem Jahr nicht als Bildungsveranstaltung anerkannt. Sozialarbeiter sind eben keine Hacker.
(Zuvor in dieser Reihe: #33c3/Nachtrag, #32c3.)
Was für ein selten bescheuerter Beitrag.
Du hast vollkommen Recht!
Heul doch, Feigling
Moin,
man merkt schon das du Hals hast, ich schreibe dann auch immer so lange Schachtelmördersätze.
Bin Mitte 50 und will HÄKKER werden, krich ich dann auch sonn schickes Käppi??
Ich finde das zwar etwas bemitleidenswert, wie du dich hier jedes Jahr wieder abrackerst, aber ich muss zugeben dass es mir irgendwie auch eine diebische Freude bereitet, wie genau du dich mit den Posts auf events.ccc.de oder dem Fahrplan auseinandersetzt, obwohl dein kleines schwarzes Herz da so drunter leidet <3
Alles für die Wissenschaft.
Sag mal, Schneefloeckchen: Warum nutzt du denn deine sicher berechtigten meritokratischen Weihen nicht, um einen sicher viel besseren Congress zu machen? Mit Blackjack und Echten Hackern[tm] wie Julian Assange? Da könntest du dann vorsätzlich auf Rollstuhlrampen verzichten und dunkle Ecken grell beleuchten, damit ja niemand kuschelt
Nicht jeder Umkehrschluss ist folgerichtig. Aber dass das noch nicht bei jedem angekommen ist, habe ich ja schon festgestellt.
Dann wiederhole ich die erste Frage: „Sag mal, Schneefloeckchen: Warum nutzt du denn deine sicher berechtigten meritokratischen Weihen nicht, um einen sicher viel besseren Congress zu machen?“
Ich bin mir noch nicht sicher, ob eine weitere Fragmentierung der Kongresse sinnvoll ist und ob die Welt überhaupt mehr als die DEF CON braucht, deren einziger struktureller Nachteil es ist, dass man dafür in die ekligen USA reisen müsste. Es gibt schon jetzt zu viele Hacker- und „Hacker“-Konferenzen. Ich finde das, was aus dem „Congress“ geworden ist, zwar einigermaßen lächerlich, verstehe meine eigene Kritik aber tatsächlich eigentlich jedes Mal als eine mehr oder weniger konstruktive Anregung zu dessen Verbesserung. Ich bin nicht selbstdarstellerisch genug für einen Gegencongress aus Prinzip. Ich bin einer dieser introvertierten Nerds, die eigentlich ganz froh sind, wenn sie nicht über Maßen vollgesülzt werden.
„Geh doch nach drüben“ ist ein wirklich praktisches Argument, wenn man sich inhaltlich mit Kritik nicht auseinandersetzen will.
So hart getriggert! Hat mal jemand einen „ideologiefreien“ (also rechten) Safespace für den Herrn Schneeflocke?
lol was für ein otto du doch bist