Man habe sich, teilte man mir in unpassendem Kontext mit, mal hier umgesehen und sei „neugierig“, warum ich das hier wohl mache, d.h. welchen Zweck diese Publikation wohl erfülle. Diese Frage hat mich in dem Moment überrascht, denn noch vor wenigen Jahren war es eigentlich selbsterklärend, mit welchem Zweck man Dinge ins Internet reinschreibt („bloggt“). Ich antwortete, manchmal regten mich Geschehnisse in Alltag, Politik und Netzkultur – der derzeitige Untertitel dieses Mitteilungsportals, „Musik, Computer, Politik und so“, ist auch weiterhin Programm, wenngleich der derzeitige Fokus auf Politisches mir selbst nicht immer passt, aber das Leben ist nun mal momentan stark auf die Politik ausgerichtet und was bin ich froh, wenn dieser Pandemiequatsch endlich ein Ende hat; aber weiter mit dem Hauptsatz – auf und das müsse ich ja irgendwo rauslassen, damit war dieses Thema dann auch schon wieder beendet.
Da die Insinternetreinschreibszene („Blogger“) sich seit Jahren „professionalisiert“, also blöde Wortspiele, feine Prosa und lose Gedanken zur Zeit durch Agitation, Selbstvermarktung und Werbeverträge ersetzt, hat, verstehe ich die Frage natürlich durchaus und meine Antwort war zwar zutreffend, aber vielleicht etwas zu wenig weitreichend.
Wohl nehme ich wahr, dass es gelegentlich gefällt, was ich hier schreibe und/oder wie ich es schreibe, manche schicken gar E‑Mails, um mir für meine Wortgewandtheit zu huldigen. Das ehrt mich, denn ich sehe mich im Rahmen dieses Webauftritts vorrangig als Autor von Aphorismen, Berichterstatter von politisch-gesellschaftlichen Fronten, Musikrezensent und Privatperson mit Haltung™ und Meinung™ zu vielem. Ich freue mich, wenn von mir geschätzte Insinternetreinschreibkollegen Texte, die ich verfasst habe, für so gut (oder auch: so furchtbar) halten, dass sie sie in ihren eigenen Texten verlinken, starre aber gleichzeitig nicht pausenlos auf irgendwelche Statistiken. Ich mache das hier zum Spaß und wenn ich morgen keinen einzigen Leser mehr hätte, würde das an meinem Publikationsverhalten voraussichtlich nichts ändern. (Ein Grund, warum ich immer noch auf WordPress statt auf ein vernünftiges Blogsystem setze, sind allerdings die hiesigen Kommentare, für die ich mitunter sehr dankbar bin, insbesondere, wenn sie mich auf Denkfehler hinweisen. Die Mitnahme von WordPress-Kommentaren in eine andere Software ist alles andere als trivial.)
Selten, zuletzt im Dezember, feile ich wirklich lange an einem Text, auch mit diesem hier habe ich keine Stunde verbracht. Ich habe selten neue Erkenntnisse beizutragen, von denen ich annehme, die Weltöffentlichkeit hätte nur auf sie gewartet. Dieser Teil meiner Website ist wenig mehr als mein hauseigener Kommentarbereich, das sich von einem „sozialen Netzwerk“ vor allem dadurch unterscheidet, dass ich mich mit niemandem „vernetzen“ muss und das alleinige Hausrecht habe. Trotzdem käme es mir niemals in den Sinn, Kommentarpolizei zu spielen: Gelöscht werden höchstens Duplikate und offensichtliche Penispillenanbieter, dem Rest der Welt steht die Senfecke offen, um sich selbst als Guru und/oder Vollpflaume darzustellen. Wer wäre ich, andere Menschen am freien Ausdruck hindern zu wollen?
Ich verdiene mein Gehalt nicht mit diesen Texten, ich biete hier nichts höchstens mal freie Software an, ich betreibe hier weder ein Nachrichtenportal noch ein Tagebuch im eigentlichen Sinne. Obwohl sich in meinen ersten Beiträgen oft mein privater Kummer und irgendwelche Netzfundstücke abwechselten, wobei die Grenze zum Kitsch doch nicht selten unterschritten wurde, würde ich heute stolz behaupten wollen, dass das, was heute daraus geworden ist, mir doch wesentlich persönlicher erscheint, denn genau das ist es, was mich persönlich bewegt: Musik, Computer, Politik – und so.
(Geschrieben mit dem neuen Album von Godspeed You! Black Emperor – „G_d’s Pee AT STATE’S END!“ – im Ohr. Wenn Mogwai sich schon weigern, 2021 nicht vor allem dem Radio gefallen zu wollen, müssen es eben die Kanadier regeln. Danke, Kanadier!)
Danke.
Wofür?
Für die Gedanken.
Weil ich auch in dieser Welt „gross“ geworden bin und dankbar bin für die verbliebenen aus dieser Welt. Da mich diese Gedankenwelt schon immer mehr inspiriert hat, als die der „sozialen“ und ich daher dort mittlerweile alle Konten gelöscht habe und mich darüber freue, dass es noch solche Blogs gibt.
Erwähnenswert, neben deinem, finde ich in letzter Zeit den Maschinist (früher Pestarzt) wo in der „Linkschleuderei“ auch für mich immer wieder neue Perlen zu der Blogwelt zu finden sind.
Wichtig ist mir auch, dass ich Meinungen lese denen ich Folgen kann ohne sie zu teilen.
Dort habe auch ich schon Blogs gefunden, die ich noch nicht kannte. Ist ja auch ein bisschen verloren gegangen, dieses gegenseitige Aufeinanderhinweisen – das macht die Alphabloggeria eh nur noch mit ihresgleichen. Die re:publica-Lautsprecher verlinken nur die Ihren. Nicht, dass es so aussieht, als wären sie gar nicht die gesamte Blogosphäre.
Bedenkenswert. Die Insinternetreinschreibszene hat sich nach meinen Eindruck etwas verdünnisiert. Es ist schon schön das Du als bloggendes Urgestein einfach nicht aufhören magst.
Ja, tatsächlich. Vor allem Musikblogs finden fast nur noch auf Facebook statt. Das bedaure ich immens, gehe aber leider auch nicht mit gutem Beispiel voran (habe ja immer noch kein separates Musikblog). Es ist schön, wenn alte Blogfreunde – dich natürlich eingeschlossen – sich trotzdem nicht mit Grausen von dem abwenden, was hier so passiert. Urgestein, naja, ich habe erst 2005 angefangen und eigentlich ist mir alles von damals sehr peinlich.
Weitermachen, danke.
(Schreib nur noch wenig Kommentare und mein Blog is auch tot und ich hab keine Ambitionen, das morgen zu ändern, aber der musste dann doch mal sein, auch wenn (oder weil(?)) ich dezent oft nicht Deiner Meinung bzw Deiner Prioritäten bin)
Manche behaupten ja, ich würde hier absichtlich allen widersprechen. Aber das stimmt nicht. Also nicht unbedingt.
Schön, mal wieder von dir zu lesen.
Bitte mach keinen separaten Musikblog. So manche Klänge sind, auf Grund deiner Zeilen, an meine Ohren herangetragen worden. Dadurch hast du es geschafft, dass ich deine Empfehlunge wenigst mal anhören :-).
Und zu den restlichen Einträgen ringsrum um das wichtige Thema Musik, danke und gerne.
Eins noch, schön, dass du deine Kommentarbereich behältst. Ich mag den Austausch, hab meinen Bereich aber geschlossen. Das Spamaufkommen war schlicht zu hoch.
Schade eigentlich. Ein paarmal wollte ich dich schon korrigieren…
Hätte man nicht warten können?! Ein Leser weniger!
Vielen Dank für die Exposition dieser persönlichen Gedankengänge.
Auch wenn ich Ihre Meinungen (gerade im Kontext von „Kitsch“) häufig nicht angemessen finde (vor allem im Kontext des jeweils angesprochenen Phänomens), finde ich – alleine schon aufgrund Ihrer Art – die Existenz eines derartigen „hauseigenen Kommentarbereich[s]“ äußerst begrüßenswert.
Hat mich f rausgeworfen?
Wie meinen?
Selten hier, aber immer wieder gut. Danke!
@Struppi: Ja, die Linkschleuderei vom Kiezneurotiker schätze ich auch sehr, wo der das nur immer wieder ausgräbt?
Willst du das wirklich wissen?