Peter hat auf seinem iPhone offenbar die Kaffeeuntersetzer-App aktiviert, und ich könnte jetzt meterlang darüber referieren, wieso er selbst schuld ist, dass er sich willens in die Hände eines skrupellosen Weltkonzerns begeben hat, aber das habe ich anderswo schon getan.
Stattdessen sollte die steigende Komplexität und gleichzeitig steigende Fehleranfälligkeit moderner Kommunikationsmittel angesichts der kommenden besinnlichen Zeit (dazu gegebenenfalls später mehr) ein Anlass sein, sich an die Ursprünge des digitalen Nirwanas zu erinnern, um wenigstens jemandem die Schuld geben zu können.
Und da ist es doch hübsch, dass gerade wieder ein Jubiläum ansteht: Die Redaktion von SPIEGEL Online feiert dieser Tage zum zweiten Mal „20 Jahre WWW“ und erläutert, wieso sie das noch mehrfach tun wird. Tatsächlich sind 20 Jahre dann auch eine eher grobe Schätzung:
Ende 1990 stellte Tim Berners-Lee den von ihm und einigen Mitarbeitern am CERN entwickelten Dienst erstmals der Öffentlichkeit vor. Ursprünglich dienten seine Pläne für ein vernetztes System zum Wissensaustausch, das ist SPIEGEL Online zu entnehmen, allein ihm als Merkhilfe, da er von sich behauptet, ein furchtbar schlechtes Gedächtnis sein eigen zu nennen. Mit den Jahren aber reifte das „World Wide Web“ heran zu einem System ähnlich dem im Folgejahr eingeführten Gopher heran und stellte mit HTTP und HTML wesentliche Elemente der heutigen digitalen Kommunikation bereit.
Die erste Internetseite der Welt, in einer archivierten Version noch erhalten, war betont schlicht gehalten: Schwarze Schrift auf weißem Grund, formatiert allein mit Überschriften und Einrückungen (das <dl>-Tag kennt heute auch kein so genannter „Webdesigner“ mehr wirklich, dessen „Arbeit“ darin besteht, mithilfe einer lustigen bunten grafischen Oberfläche Pixel zu verschieben). Man betrachte nur einmal den Quelltext! Beizeiten kamen neue Elemente auf und verschwanden oft auch wieder, marquee und blink haben sich zur allgemeinen Erleichterung langfristig nicht durchsetzen können.
An der Schlichtheit früherer Tage lässt es die heutige Vorstellung einer „modernen Internetseite“ indes leider völlig fehlen, der Grundsatz „HTML ist kein Papier“ sollte in jedem HTML-Handbuch dieser Welt in großen, roten Buchstaben auf jeder Seite eingefräst sein, damit das selbstverliebte Pack von „Mediendesignern“ (als gäbe es keine anderen Medien, an denen sie sich auslassen können!) endlich aufhört, irgendwas von „fester Breite“ zu blafaseln.
Und es wird nicht besser: „HTML 5“ (das neue Bullshit-Bingo-Trumpfwort, nachdem sich „Web 2.0“ offenbar dankenswerterweise abgenutzt hat) hat mit einer „Hypertext Markup Language“ nicht mehr viel zu tun. Tatsächlich nämlich dient es nur noch als Rahmen für Javascript- und CSS-Spielereien, von denen nicht nur ich mich frage, was genau das im Internet verloren hat. Es stimmt, dass die Bedeutung Weg weisender Technik oft verkannt wird, aber darauf, zu erfahren, welchen Weg diese Entwicklung weisen wird, bin ich derzeit nicht sonderlich erpicht.
Der erste Webserver war übrigens ebenso wie der Computer, auf dem die Software entwickelt wurde, ein NeXT-Rechner. NeXT war ein Soft- und Hardware produzierendes Unternehmen eines gewissen Steve Jobs, der Apple (wo man heute unter anderem, ich erwähnte es, das furchtbare iPhone entwickelt) verlassen hatte. 1996 kaufte Apple NeXT und machte das Betriebssystem NeXTStep zu einer der technischen Grundlagen für Mac OS 10 („X“). So kann man mit Fug und Recht auch mit langem Blick zurück noch behaupten: Apple ist an allem schuld; selbst an der Gründung von Google.
Ach, ich mag Kreise, die sich schließen.
Überhaupt ist das Jahr 2010 bisher ein ganz großes Jahr.
Und was passt besser zu einem ganz großen Jahr als eine ganz große Würdigung langlebiger Klassiker?
Etwas älter als das WWW, nämlich inzwischen 26 Jahre alt, ist das Spiel „Tetris“, das mehrere Generationen junger Konsolenspieler in der einen oder anderen Form auf ihrem Weg zur geistigen Reifung begleitete. Ebenso wie der SPIEGEL-Online-Beitrag zu zwei Dekaden WWW ist auch die Würdigung von Tetris inzwischen über ein Jahr alt, der ganz große Knall hat aber noch gefehlt.
Der kam mir nun mit Tetris HD (mit Dank an V., die unbedingt auch mal wieder erwähnt werden will) vor die Augen, und obwohl das Spiel auch bereits aus dem Vorjahr stammt, so lässt sich kaum leugnen, dass es eine wirklich ganz große Würdigung ist.
Ich wünsche viel Spaß.
Ich nutze die Kaffeeuntersetzer-App überhaupt nicht. Ich schwör.
Als hättest du eine Wahl!
Heißt es nicht „isch schwör“?
Nicht in Hildesheim.