Musik, die wir hören, Musik, die uns begeistert; je neuer sie ist, desto schlechter scheint sie zu werden. Stimmt das? Gemäß einer jüngst veröffentlichten Studie über die Entwicklung der Popmusik in der schlimmen US-amerikanischen Hitparade von 1960 bis 2010 zumindest zum Teil: Zwar scheint der New Wave endlich überwunden, aber auch der Jazz geht zurück.
Der Trend geht zur Verflachung. Der Kropf links und in den charts ist der Hip-Hop. Woher die Rettung nehmen?
Die Rettung kann nur in Schüben erfolgen. Auch aus Deutschland? Ach, Helene Fischer und Heino; nein, Hannover. Doch, wirklich! Das verrückte Trio The Hirsch Effekt, das hier schon häufiger Thema war, schließt in diesem Jahr mit „holon : agnosie“ („das Seiende: Erkenntnis“) seine erste Albentrilogie würdig ab. Im April 2014 kündigten die Musiker an, das dritte Album werde „eingängiger“, sie würden ja auch nicht jünger. Zum Glück haben sie ihre Drohung nur sehr kurz wahrgemacht.
Du wirst Staub / bap bap badap, bap bap badap,
wie ich auch / bap bap badap, bap bap badap
Bezoar
Es gab bei allen Ähnlichkeiten inklusive der kryptischen Liedtitel allerdings tatsächlich einige Änderungen bei The Hirsch Effekt: Philipp Wende gab kurz nach der Veröffentlichung von „holon : anamnesis“ das Schlagzeug an Moritz Schmidt ab und die Texte haben fast vergessen, dass der Ich-Erzähler 2010 noch seiner Verflossenen nachgeweint hat. Wie einst King Crimson vollziehen auch The Hirsch Effekt auf „holon : agnosie“ eine Hinwendung zur Gesellschaftskritik, exemplarisch etwa auszumachen in „Jayus“ („Statt nach links und rechts / guckt jeder nur / in seine Scheiß-Hand“, die grassesquen Zeilenumbrüche sind Teil des Konzepts). Dankbar ist man den drei Herren dann zumindest für das Textblatt, denn wo auf dem Debüt noch zu sachten Melodien geschwelgt wurde, gibt’s inzwischen das volle Brett.
Die Agnosie, gleichsam eine Erlösung, ist trotz alldem beherrschendes Thema. Genug der invertierten Trauer. Dass „Fixum“, der Abschluss des eigentlichen „Holon“-Themas, bereits seit über einem Jahr auf Konzerten zu hören war und somit wohl das älteste Lied auf dem Album ist, mag erklären, wieso es den eleganten Brückenschlag von den „alten“ zu den „neuen“ Liedern schafft:
Schau dich noch zweimal /
jetzt um und /
lass bloß nichts liegen /
wenn du gehst /
Jedes Ende /
hat seinen /
Preis
Eingängig? Ach, woher denn! Es mathrockt die Gitarre, dass man vor lauter Taktzählen vergisst, sich beim Sitztanzen nicht wehzutun. Hannover. Da kriegt man früher oder später einen Haschmich.
Die Zumutung des Jahres und schon jetzt eines der Alben desselben, aber hallo. Und das Vinyl ist auch noch hübsch. Reinhören? Reinhören!
Rockt.
Da lob ich mir doch den Wendler oder die Zillertaler Zitzenzuzler. Modern Talking war bezüglich anspruchsvoll sozialkritischer Texte auch nicht schlecht mit „Cherry Cherry Lady“ (Kirsche, Kirsche, Dame!).