In Nordrhein-Westfalen wurde heute gewählt. Linke (wegen der AfD) wie Rechte (wegen der Linken) eint die Freude darüber, dass es eine Fünf-Prozent-Hürde für Landtagswahlen gibt. Ist das Punk?
Ach, die Frage kommt zu spät; was Punk ist und was nicht, ist 44 Jahre nach Sid Vicious und seinem Hakenkreuz-T-Shirt – Punk ist vor allem gegen die Norm – und damit in einer Zeit, in der es Linken gar nicht schnell genug gehen kann mit Nationalismus und Krieg (allein heute haben zwei weitere Staaten ihre Absicht zum Beitritt der NATO eilgemeldet verkündet), ja eine nur mehr akademische Diskussion. Punk schwingt heute Nationalflaggen und demonstriert für den starken Staat.
So passend wie putzig ist diese „Nachricht“:
In einem Interview erzählt Rocksänger Campino wegen des Ukraine-Kriegs viele alte Grundsätze auf den Prüfstand stellt. So würde er wohl auch heute nicht mehr den Wehrdienst verweigern, wie er es 1983 getan hatte.
Warum Kriege nur noch selten von denen ausgefochten werden müssen, die deren brutale Effizienz insbesondere für das Wirtschaftswachstum zu schätzen wissen, haben Bertolt Brecht und (später) Serj Tankian gefragt und keine Antwort bekommen. In dieser Tradition stehe auch ich, aber stolz darauf bin ich nur manchmal heimlich ein bisschen.
Campino verorte sich „politisch links und als Wähler bei den Grünen“, berichtet das „RND“ und begreift den Witz nicht. Im Überflussland sind das bürgerliche Kategorien, so viel ist klar, weil zu oft gehört. Punk ist nicht mehr gegen alles und vor allem gegen das System, Punk will das System jetzt militärisch verteidigen. Die F.D.P. „ist Punk“, wahlkämpferte es noch 2020 in Sex-Pistols-Tradition aus der F.D.P. Friedrichshain-Kreuzberg heraus. Mich überrascht nur noch wenig.
Punks haben das was sie tun, nie so genannt. Es ist ein abwertendes Etikett aus dem bürgerlichen Millieu. Stellst du dich irgendwo als Arschloch vor, weil dich jemand so genannt hat ? “ Gestatten, meine Name ist Arschloch. Ich komme wegen der Wohnung.“
Beim Musikstil dient es der Einordnung. Es soll verhindert werden, dass jemand versehentlich deinen Musikgeschmack teilt.
Ich stelle mich tatsächlich recht oft als Arschloch vor.
Nun gut, dann wird das wohl stimmen.
Was Campino so erzählt, ist szenetypisch wie die Einlassungen von Sascha Lobo.
Jede dritte Kassierin bei ALDI ist gepierced, tätowiert, oder rasiert sich nen Iro.
Die reine Lehre kenne nur ich noch. Ich bin das letzte Breitmaulnashorn der Serengeti.
Meine Leserschaft überaltert, ich merke das.
Andreas F. ist ein abschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn rebellische Musiker nicht frühzeitig z.B. an ihrem Erbrochenem ersticken, sondern sich irgendwann einen Wohlstandsbauch zulegen und ihre konservative Seite entdecken. Ein sichtlich aufgedunsener Johnny Rotten mag Trump und Campino schwärmt für die Queen („Die Queen ist ein Glücksfall für die Monarchie“), nur Sid Vicious, der hat es richtig gemacht. Dass die Stadion-Rockband „Die Toten Hosen“ immer noch irgendwie mit Punk assoziiert wird, ist wohl ein eine ähnliche Kuriosität wie das nicht totzukriegende Gefasel von Fundis und Realos bei den Grünen.
In Zeiten, in denen das Schubladendenken zur Gruppenausspielung untereinander weiter gefördert wird, möchte ich nicht mehr in Kategorien wie „Punk“ oder „!Punk“ denken.
Mit meinen Lenzen auf dem Buckel, behaupte ich mal, dass man Punk nur in Jugendjahren sein kann (Ausnahmen bestätigen die Regel). Im Alter schleicht sich zunehmend der „Ach, ist mir egal“-Gedanke ein, gefolgt von „Hama schon probiert, hat auch nicht geklappt“-Resignation.
Der selbst gesteckte Wirkungskreis wird kleiner, und kleiner … so kommt wohl jeder mal zum Gärtnern, oder eben vorher um.
Ihr solltet euch abgewöhnen „wirken“ zu wollen, auf andere „einwirken“ zu wollen.
Da konntest du sofort packen, wenn das dein Anliegen war.
Das Motto war:“ Tu es einfach!“. Musik machen ohne ein Instrument spielen zu können. In politische Texte zu packen, was einen ankotzt.
Wenn es anderen gefiel, gut. Wenn nicht, auch gut. Trotzdem hat kaum eine Subkultur so viele ( junge ) Menschen politisiert, weltweit.
Was wollt ihr ständig von anderen ? Ihr habt nichts zu wollen !
Schön geschrieben!
Ach wen wunderts das ein fast 60 jähriger Herr Frege mit 25 Mio. € Konto Krieg geil findet.
Seine jugendl. Fans braucht der nicht mehr wenn die sich in der Hackfleischmaschine zu Burgers verarbeiten lassen. Der lebt von den Tantieme die bei einem CDU Parteitag vom Abspielen der Scheisslieder reingespühlt werden.
Staatspunker halt…
Wölfi von den Kassierern bestätigt: „Die Tendenz im Punkrock geht immer mehr zur Eigentumswohnung.“
Die möchte man dann auch gerne verteidigen.
Eine Entwicklung die mich als „Betroffener“ schon lange anwidert. Im Grunde auch eine die seit Mitte der 80’er schon den Begriff Punk ausgehöhlt hat. Früher nannten wir sie „Gymnasiastenpunks“, heute sind es einfache gelangweilte Akademikerkinder, die sich gerne ihr Modebewußtsein gegenseitig zeigen.
Auch wenn ich das heroische abfeiern der „Arbeiterklasse“, sei es durch Linke oder durch z.b.Skinheads nicht teile, so war Punk doch für genau diese Klasse 1977 eine Befreiung von den Autoritäten und dem Verhaltenskodex, der vor allem durch die Bürgerliche Gesellschaft den Menschen vorgeschrieben wurde (Dazu einfach die Spiefilme aus der Zeit vor 1970 sich vorstellen). Obrigkeitshörigkeit und prügelnde Autoritäten waren bis in 70’er hinein noch ein bestimmendes Muster für Kinder und Jugendliche.
Als dann die Abiturienten entdeckt haben das man durch Punk sowohl Reputation (Oh, wir erfinden eine neue Kultur) als auch Freiheiten gewinnen kann, wurde diese Klientiel plötzlich die Bestimmenden. So hat man damals sich schön eine „wilde“ Lebensphase entdeckt.
Für mich waren immer die versifften Aso auf der Strasse wie „echten“ Punks. „No Future“ und die völlige Ablehung bürgerlicher Vorschriften das ist Punk. Aber das wurde alles im Laufe der 90’er zu einer wohlstrukturierten, gesitteten und mittlerweile ganz toll anerkannten „Jugendkultur“. Mit Gefühl, aus dem er einst entstanden ist, hat keiner mehr was am Hut.
Du bringst es gut auf den Punkt: „Punk schwingt heute Nationalflaggen und demonstriert für den starken Staat.“. Das sind Dinge, die mich zum ersten mal seit 1980 dazu gebracht haben, zu sagen ich habe keine Verbindungen mehr zu dieser Kultur, weil diese Ablehnung von staatlichen Repressionen und staatlicher Gewalt , für mich immer noch so wichtig ist wie es 1980 war.
Was man an dieser Entwicklung sehr schön sieht ist, wie das eventuell „damals“ passiert ist das ein ganzes Volk dachte es tut was gutes, wenn es der Zerstörung zu jubelt. Hier wäre ein „wehret den Anfängen“ angebracht, aber es wird keine Wirkung mehr haben.
fsmaulalda?
Du hast vollkommen Recht!
Campino? Das waren doch diese leckeren Fruchtbonbons.
Was irgendwelche Muckemacher zu irgendwelchen Themen zu sagen haben war mit schon immer restlos Wumpe.
Die sind ja nicht wegen kluger Worte bekannt sondern wegen Melodie und Rhytmus.
Von Punk kenne ich nur den Punkomaten, der hat geilere Lieder auf Knopfdruck komponiert wie diese Mainstream Industrie Musikanten.