Da ich jüngst einen Supermarkt von innen sah, habe selbst ich, dessen Fähigkeit zum Ausblenden langweiliger Ereignisse ich für geschärft gehalten hatte, mitbekommen, dass demnächst wieder – überwiegend vor Fernsehern – kistenweise ungesunder Kram („bewusste Ernährung“, schlägt der aktuelle ALDI-Prospekt direkt nach einer Doppelseite Dosenbier vor) konsumiert werden wird, während auf der anderen Seite des Fernsehers Fremde für zu viel Geld einem langweiligen Sport nachgehen; Darts oder Golf oder so. Wer wohl dieses Jahr Leberschadenweltmeister wird?
Zwecks Lobpreisung dieser überbezahlten Fremden wird dem Mitmenschen Supermarktkunde dazu geraten, die Farben des Hambacher Festes zur Schmückung von Haus und Kleidung zu missbrauchen, denn den Fernseher mit zu vorgerückter Stunde merklich wunderlicheren Texten („öööäääööö“ – das dürfte mindestens drei Viertel der Hymnen abdecken) anzubrüllen wirkt sich offensichtlich auf die Spielweise der Herren auf der anderen Seite des Fernsehers aus, denn sonst wäre das ja nicht nur Geldverschwendung, sondern auch noch außerordentlich inkonsequent: Zwar wären die Werte des Hambacher Fests (das, obwohl heute als „Grundsteinlegung der Demokratie“ verbrämt, im Kern ein nationalistischer Vorstoß zugunsten „des deutschen Volkes“ war) und seine Farben in dieser politisch schwierigen Zeit tagesaktuell, aber seine späten Nutznießer wollen mit ihm außerhalb irgendwelcher Großveranstaltungen nicht in Verbindung gebracht werden. Deutsch ist man nicht. Deutschsein ist rechts.
Was den jeweils gespielten Sport – Darts oder Golf oder so – nun aber besonders zur Identifikation des Zuschauers befähigen soll, vermochte mir bisher niemand so recht zu erläutern; dass Fußball, Bier „und Burger“ (Österreich) bzw. und „eine Stadionwurst, lauwarm und in einem schlaffen Brötchen“ (Deutschland), jedoch als natürliche Verpartnerungen begriffen werden, lässt mich annehmen, dass es insbesondere an der schlechten Ernährung liegt. Nach einem fett- und alkoholreichen Abend wurde selbst ich angeblich schon mal dabei ertappt, irgendeinen sterbenslangweiligen Scheißdreck total gut zu finden, allerdings habe ich mich zwecks Ergebnisförderung dieses sterbenslangweiligen Scheißdrecks nicht erst umgezogen und ihn dann angebrüllt. Früh habe ich gelernt: Es brüllt, wer verloren hat. (Ich bin sehr froh darüber, dass zu meiner Zeit die Wehrpflicht bereits deutlich gelockert worden war. Ich bin mir nicht sicher, ob die dort zu meinem Bedauern tatsächlich freiwillig Beschäftigten meine diesbezügliche Auffassung mehrheitlich teilen.)
Fußball sei kein Thema derer, die das Morgen gestalten, befand richtigerweise jemand, dessen Autorenschaft mir nicht abschließend klar ist, wobei ich auch auf Vermutungen verzichte, denn auch ich würde nicht wollen, dass, sollte ich dereinst einen klugen Aphorismus von mir gegeben haben, gar nicht ich als der kluge Aphoristiker wahrgenommen werde, sondern zum Beispiel Phil Collins oder so. Konsequent, wie ich nun mal immer häufig manchmal gerade jetzt bin, nehme ich diesen Aphorismus jedenfalls in die reichhaltige Liste meiner Lebensdevisen auf und möchte – wie schon in den Vorjahren – keine Aufstellungen, Gegnernennungen und/oder Ergebnisse erfahren. Welche Gruppe von Fremden ein unfassbar ödes Spiel gewinnt, an dem ich nicht mal als Nachschauer (also als jemand, der sich höchstens hinterher mal die Zusammenfassung durchliest) teilnehme, ist mir traditionell höchst egal und Traditionen sind ja wichtig – das zeigen bereits die oben schon angesprochenen Farben.
Um mir nicht vorwerfen lassen zu müssen, völlig unsolidarisch mit dieser mir vermeintlich irgendwie wichtigen Gesellschaft zu sein, schließe ich aber nicht aus, im Verlauf der kommenden Wochen vielleicht ein Bier zu trinken oder auch derer zwei. Auf eine schlaffe Wurst hingegen werde ich auch 2021 lieber verzichten. So deutsch werde selbst ich nicht mehr.
Ich mag Wurst.
Schlaff?