Das Quartett Electric Orange kommt aus Aachen, was irgendwie noch als Deutschland zählt, und hat mit „misophonia“, was Englisch für „Misophonie“ ist, was wiederum Kompliziert für eine geringe Geräuschtoleranz („Hass auf Geräusche“) ist, was ein angenehm selbstironischer Name ist, was jetzt dann doch etwas zu viele Nebensätze sind, im Jahr 2016 ihr immerhin elftes Vollzeitalbum (Stream und Kauf) herausgebracht.
An Geräuschen mangelt es hier allerdings keineswegs, Perkussion und Schlagzeug sind stets präsent. Wohin die Reise, äh, der trip geht, wird schon im ersten und mit 18 Minuten Laufzeit auch längsten Stück auf „misophonia“, „Organized Suffering“, deutlich. Weite Klangflächen, etwas Orgelspiel, immer aber auch die Gitarre, kein Gesang; Drogenmusik par excellence. Im folgenden „Bottledrone“ treibt die Band dies mit Pink-Floyd-Referenzen auf die Spitze, nur um dann noch einmal zu betonen, wo der Spacerock eigentlich seinen Anfang nahm. Müsste ich ein Adjektiv für „misophonia“ wählen, so wählte ich „flächig“, um nicht abermals den abgenudelten Begriff „sphärisch“ zu verschwenden. Selbst in den für Electric-Orange-Verhältnisse schnelleren Momenten, etwa in dem schlagzeuggetriebenen „Demented“, findet man unwirklich schwebende anstelle erdig rockender Klänge. Müsste ich dazu tanzen, ich würde in ausladenden Bewegungen eine Acht beschreiben und sähe dabei vermutlich sehr lustig aus.
Drei der acht Stücke auf „misophonia“ sind das Titelstück, namentlich „Misophonia“ I bis III, das mit grollendem Bass Beklemmung als weiteres Gefühl in die Reise einbringt, nach Freiheit klingende Trompete (Trompete?!) hin oder her. Tangerine Dream ist euch zu langweilig? Das verstehe ich. Versucht es doch mal mit Electric Orange.
Mit „Opsis“ lassen Electric Orange lateinamerikanischen Tanz in ihrem Klanguniversum geschehen, bevor das abschließende „Misophonia III“ den Hörer mit Dissonanzen und ruckartigem Schlagzeug aus der Trance rüttelt, nur um ihn dann wieder sanft entschweben zu lassen. Ein Album wie ein Sonnenaufgang am Meer.