Das Wesen der parlamentarischen Demokratie ist es, dass sich trotz der im Grunde überzähligen Mittelsmänner zwischen Staatsoberhaupt, Regierung und Volk letztendlich doch dem nominellen Souverän die Möglichkeit bietet, selbst über Nuancen derer, die ihn vertreten, abzustimmen; gesetzt den Fall, es herrscht gerade keine Durchregierungskoalition, versteht sich. Das hebt diese parlamentarische Demokratie wohltuend ab von De-facto-Einparteiensystemen, wie sie gerade in Deutschland nicht völlig unbekannt sind, endete doch eine Wahl in der DDR jahrzehntelang mit dem klaren Sieg der SED, deren Politik letztlich selbst von der dortigen CDU gefördert wurde, während man hier im Westen zumindest die Wahl zwischen der reaktionär-konservativen Politik der CDU/CSU und der reaktionär-konservativen Politik der SPD hat; ferner liefen, versteht sich, die inhaltlich voneinander zumindest mitunter unterscheidbaren Koalitions- und Oppositionspartner.
Nun ist zu viel Auswahl ja bekanntlich nicht gut für die Demokratie, was immerhin das Ausbleiben von Gegenkandidaturen (medial grundsätzlich als „Kampfkandidaturen” verschrien) in allerlei parteiinternen Gremien erklären mag und wahrscheinlich auch dies:
Unionsfraktionschef Kauder ist alarmiert über die „Anfeindungen gegen die Demokratie” – und mahnt zur Einigkeit bei der Bundespräsidentenwahl. (…) Der CDU-Politiker plädiert vor diesem Hintergrund dafür, einen Nachfolger für Joachim Gauck zu finden, der „eine breite Zustimmung aller Demokraten erhält”.
Joachim Gauck, selbst als das kleinste gemeinsame Übel ins Amt gestolpert, kennt die Annahme, man könne mit „allen Demokraten” einen zumindest homogen wirkenden Konsens erreichen, vermutlich noch von früher, als sich dieser Konsens in seinem Heimatland „Blockpartei” nannte und von allen Demokraten gemeinsam mitgetragen wurde, sofern sie überleben wollten.
In der Demokratie geht die Macht vom Volke aus, doch häufig kehrt sie nicht zu ihm zurück.
Hellmut Walters