Gelegentlich habe ich an dieser Stelle schon etwas zu den Themen Alkohol und Jugend geschrieben. Über welchen der Beiträge der Herr von der onlinefacts UG aus München letztlich gestolpert sein mag, als er beschloss, mich über eine „Initiative“ der offensichtlich sehr verzweifelten CosmosDirekt-Versicherungsgesellschaft zu informieren, lässt sich leider nicht so genau rekonstruieren; unter dem Betreff „Bitte um Prüfung“ erhielt ich heute jedenfalls folgende E‑Mail:
Sehr geehrter Herr (Name aus dem DENIC-Whois, A.d.V.),
auf Ihrer Webseite tuxproject.de betreiben Sie eine hilfreiche Linkliste:
https://tuxproject.de/blog/2013/04/kurz-verlinkt-clvi-zweimal-tammtamm/
Da Sie von dort aus auf informative Seiten verweisen, möchte ich Ihnen die Initiative „Don’t Drink and Drive – Gegen Alkohol am Steuer“, die unsere Experten-Redaktion gemeinsam mit prominenten Botschaftern aus dem Fernsehen realisiert hat, vorstellen.
Schauen Sie doch gern einmal vorbei: (Spamlink herausredigiert, A.d.V.)
Es sind beeindruckende Zahlen, mit denen wir vor allem junge Fahrer dazu auffordern die Finger von Alkohol im Straßenverkehr zu lassen:
• pro Minute sind schätzungsweise 170 Autofahrer alkoholisiert auf deutschen Straßen unterwegs
• 35,3 Prozent der insgesamt 455 von uns befragten Fahrschulen berichten von Vorfällen mit Fahrschülern, die alkoholisiert eine Fahrstunde antreten wollten
Unsere Initiative ist selbstverständlich werbefrei und derzeit informieren sich bis zu 15.000 Leser pro Tag auf unserer Seite.
Wir würden uns freuen, wenn auch Sie Ihren Lesern mit unserer Initiative eine weitere informative Quelle anbieten und uns zu Ihrer Linkliste hinzufügen möchten. Falls Sie einen Banner benötigen, finden Sie diesen im Anhang.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Römhild–
onlinefacts UG (haftungsbeschränkt)
Paul-Heyse-Straße 27
80336 München
Die Kampagne, deren Link ich oben aus dramaturgischen Gründen (und um Spam nicht unnötig zu belohnen; verwegene Leser mögen eine Suchmaschine ihrer Wahl bemühen) nicht stehen ließ, befindet sich unterhalb der Domain cosmosdirekt.de, es handelt sich hier somit trotz des Spammers Firmierung unter „onlinefacts UG“ um Auftragsspam im Namen eines bisher wohl fälschlicherweise für mehr oder weniger seriös gehaltenen Versicherungskonzerns.
Während ich im Allgemeinen durchaus angetan davon bin, dass sich Versicherungen ganz uneigennützig für weniger Leichtsinn im Straßenverkehr einsetzen, bin ich von der E‑Mail alles andere als begeistert.
Schön ist, dass man sich zumindest die Mühe gemacht hat, sich wenigstens ansatzweise mit der Website, auf der man gern beworben werden möchte, zu beschäftigen: Es handelt sich um einen Blog mit Lesern und hin und wieder tauchen auch Links auf. Ein automatisch ausgelesenes Domain-Whois sorgt zumindest für eine einigermaßen gesittete Anrede. So weit das Positive an der E‑Mail.
Nicht so schön ist, dass man sich im Hause „onlinefacts UG“ und somit auch bei denen, die sie um Werbevermittlung bitten, um Anstand und Gesetze allem Anschein nach nicht schert. Die angenommene Herleitung „hat eine Website, betreibt also sicher irgendwelche bunt zusammengewürfelten Linklisten, in die wir super reinpassen“ lädt dermaßen wenig dazu ein, der Firma „onlinefacts UG“ eine wenigstens grundlegende Ahnung von diesem „online“ zu attestieren, das sie faktisch in ihrem Namen trägt, dass ich tatsächlich mal kurz nachgucken musste, was diese Firma eigentlich macht (Vorsicht: Verweis geht auf die Website von „onlinefacts“!):
Die onlinefacts Unternehmergesellschaft mit Sitz in der Münchner Innenstadt ist ein Zusammenschluss unabhängiger Redakteure aus ganz Deutschland, die Verbraucher in den Medien aufklären. Mit unseren Aufklärungskampagnen schaffen wir Klarheit und arbeiten dafür mit namhaften Experten und Prominenten zusammen.
Zu den „prominenten Botschaftern“, die Herr Römhild – übrigens einer der beiden Geschäftsführer der „onlinefacts UG“ – im Zusammenhang mit der CosmosDirekt-Kampagne anpries, zählen übrigens Lichtgestalten wie Daniel Küblböck (!), Ricky Harris (!), Indira Weis (!) und Nina Ruge (!), die allesamt ein „Statement“ (ebd.) zu der bewegenden Frage, ob man – spoiler: Nein! – besoffen ein Kraftfahrzeug führen sollte, abgegeben haben. Wenn ihr gerade nicht so genau wisst, wer das alles ist, schlagt es besser nicht nach oder achtet vorher darauf, dass ihr kein Getränk im Mund habt.
Wie konnte die „onlinefacts UG“ trotzdem so bekannt werden? Nun, ihre Website gibt dazu Auskunft:
Soso.
Aber kommen wir noch mal kurz auf die per se lobenswerte Kampagne „Don’t Drink and Drive“ – natürlich im Original mit geradem statt typografisch korrektem Apostroph, weil eine deutschsprachige Website gefälligst irgendwie englisch zu heißen hat, sonst klickt ja keiner drauf, während natürlich jeder Hansfranz, mich eingeschlossen, dauernd auf irgendwelchen Spamlinks rumklickt – zurück. Herr Römhild führte aus:
Unsere Initiative ist selbstverständlich werbefrei[.]
Gucken wir doch mal in diese werbefreie Website hinein. Zwar wurde eine Möglichkeit eingebunden, die Kampagne statt per Spammail auch via „sozialem Netzwerk“ zu verteilen, allerdings handelt es sich um die weitgehend unbedenkliche „Zwei-Klick-Lösung“, die erst nach ausdrücklicher Genehmigung Daten aushorcht:
Aber halt – was bemängelt jetzt uMatrix? Herr Römhild hat doch nicht etwa gelogen? Da gucken wir doch noch mal genauer hin:
<script src="https://t13.intelliad.de/cl/5343834333236323131303.js" data-phase="app-preprocess"></script>
Ich halte die Kombination aus „Intelli-“ und „Ad“, also „intelligente Werbung“, ja für ein Oxymoron, aber ich bin auch eher technik- als wirtschaftsbegeistert; jedenfalls: damit nicht genug!
<script> $(function(){var a=Math.random()+"";var a=a*10000000000000;$("body").append('<iframe src="//fls.doubleclick.net/activityi;src=1002335;type=2016;cat=fahrafaq;ord='+a+'?" width="1" height="1" frameborder="0" style="display:none!important;"></iframe>')}); </script> <noscript><iframe src="//fls.doubleclick.net/activityi;src=1002335;type=2016;cat=fahrafaq;ord=1?" width=1 height=1 frameborder=0 style="display:none!important;"></iframe></noscript>
Natürlich: display:none!important, Validität ist sooo 90er und mehr Mühe sind wir dem nutzlosen Werberpack eben nicht wert. Nun kann es gut sein, dass der für diese Kampagne verantwortliche – leider nicht: zur Verantwortung gezogene – Pixelschubser hier einfach nur Code hineinkopiert hat, den ihm der Werbevermarkter DoubleClick empfohlen hat, was die Sache jedoch nicht besser macht. (Was verdient eigentlich so ein Geschäftsführer bei der „onlinefacts UG“, also finanziell, nicht moralisch?) Der Name „DoubleClick“ sollte euch übrigens bekannt vorkommen, denn das ist der Name, unter dem das Unternehmen Google Inc. seit einigen Jahren bedauerlich erfolgreich Onlinemarketing betreibt und es damit schon zu trauriger Berühmtheit gebracht hat:
Doubleclick will let advertisers control how often an ad is shown to a browser, how long it is shown for and how often it will appear. (…) For example, if you are on a news website and you visit the sports pages, then adverts for match tickets may be more relevant than makeup. This information belongs to the website owner only. (…) Because it records your IP address, Doubleclick can also make a good guess of your country and town/city, too.
Besuche ich also die selbstverständlich werbefreie Website besagter „Initiative“, so lässt die Versicherungsgesellschaft CosmosDirekt ohne meine Zustimmung die Berufsspammerabteilung des US-amerikanischen Unternehmens Google wissen, wo ich ungefähr wohne und dass ich mich für Alkohol am Steuer interessiere. Oder für Daniel Küblböck.
Die DENIC weist übrigens darauf hin, dass die Nutzung der Domaindaten „zu Werbe- oder ähnlichen Zwecken“ einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen darstellt. Da der Mailverfasser die von ihm als für seine Zwecke fälschlicherweise als passend erkannte Website zweifelsfrei nicht einmal aufgerufen hat, so dass die Ausrede, die Anrede könnte auch aus dem Impressum stammen, hier nur schwerlich möglich ist, haben wir es hier also nicht nur mit einfacher Spam (also mit dem Verdacht einer kriminellen Handlung, cf. § 7 UWG) zu tun, sondern überdies mit der mutmaßlichen Erschleichung von Dienstleistungen. Wirklich beeindruckende Geschäftspraktiken unterstützt die CosmosDirekt AG da.
Der Bitte um Prüfung des Anliegens und anschließende Information meiner Leser hoffe ich hiermit hinreichend entsprochen zu haben. War mir ein Vergnügen!
Ein Leser mehr!
Was soll das? Ich fahre gern besoffen mit dem Auto
Dann schließ‘ lieber schnell eine gute Versicherung ab. Soll ich dir eine empfehlen?
Wenn ich sowas lese, frage ich mich immer, ob auch dem Pizzadienst für jeden Werbezettel eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zugestellt wird.
Klar, Werbung ist nervig. Jedenfalls solange, wie sie einen nicht interessiert. Aber gerade hier, wo nicht einmal primäres Verkaufsinteresse im Vordergrund steht: Muß man dann wirklich in die Fußstapfen der Rentner treten, die auch den 1 m zu weit an der Kreuzung geparkten Pkw anzeigen? Oder die Briefe an den Intendanten schreiben, wenn „unangemessene Inhalte“ im Fernsehen gezeigt werden? Hier wie da sollte die gleiche Regel gelten: Was einen nicht interessiert, einfach abschalten bzw. in den Müll klicken.
Da könnte ich noch mehr schreiben, aber ich hab im Leben besseres zu tun, als mich wegen Nichtigkeiten über andere aufzuregen. Nur mal so als kleiner Hinweis.
Es gibt einen Unterschied zwischen Moral und Gesetz.
Was sind denn eigentlich so diese Dinge, die dir im Leben wichtiger sind? Dich in Blogkommentaren über Leute aufzuregen, die sich wegen Dingen, die du für nichtig hältst, über andere Leute echauffieren? In diesem Fall: Alles richtig gemacht.
du hast den artikel nicht verstanden. der kernsatz:
deine beispiele bzgl. pizzaflyer, rentner usw. passen also null.
Lustig, über welche Irrwege man doch immer wieder auf „alte Bekannte“ stößt! Besagter Herr Römhild hat mich vergangenes Jahr auch mehrmals mit Spam-Mails belästigt (ich arbeite in einer Onlineredaktion) und mich sogar mit dreisten Behauptungen (wir hätten einen Termin!) telefonsich zu sprechen versucht. Damals ging es ihm noch um das Thema Mobbing, oder Cyber-Mobbing, wie auch immer. Auch damals stand hinter dem angeblich „werbefreiem Content“ eine große Versicherungsgesellschaft… Um jeden Preis versuchte er, seinen „Artikel“ auf unserer Plattform zu veröffentlichen. Unter redaktionellem Inhalt! Selten haben wir so gelacht. Traurig eigentlich, diese verzweifelten Versuche, eine Plattform zu finden. (was ist der Sinn und Zweck hinter dieser dubiosen Firma?!) Jedem halbwegs kompetenten Journalisten müsste auf den ersten Blick klar sein, um welche Art Inhalt es sich bei den Texten von Onlinefacts handelt… so versteckt ist die Werbung dann doch nicht, wie der junge Herr das vielleicht denkt. Zur Info: Herr Römhild, der Geschäftsführer (!) ist gerade einmal 23 Jahre jung!
So jung und schon die berufliche Zukunft verbaut. So traurig.
Wenn auch schon ein Jahr alt, die Masche läuft noch immer. Habe heute eine vergleichbare Mail bekommen, vor dem Hintergrund „Safer Internet Day“, der derzeit laufenden EU-Initiative sollten wir bei uns mit Produktwerbung versehene Sicherheitshinweise eines Herstellers von Antivirensoftware (nenne ich jetzt nicht) verlinken.
die onlinefacts UG ist mittlerweile zur GmbH mutiert (etwa gewachsen?), es schreibt nicht mehr die Geschäftsführung persönlich, die Methoden sind aber gleich geblieben.
Deine Analyse fand ich köstlich – und treffend…
Idiokratie siegt.