Dass mein Kirchenaustritt nicht folgenlos verhallen würde, war mir ja beinahe schon klar.
Gestern erreichte mich ein am 11. August 2014 verfasster Brief, in dem der zuständige Pfarrer meinen Austritt bedauert. Sogar die Briefpost der katholischen Kirche hinkt erschreckend ihrer Zeit hinterher. In diesem Brief stellte er handschriftlich die Frage, was sie – die Kirchenleute – bloß falsch gemacht hätten. Offensichtlich scheint ein Austritt gerade üblich zu sein, denn abgesehen vom handschriftlichen Teil handelt es sich um einen Serienbrief. Ein Verein, der eine Serienbriefvorlage zur Beantwortung von Austritten aus dem Verein benutzt, hat tatsächlich wohl größere Probleme als er selbst annehmen dürfte.
Was steht drin in diesem Brief? Na, in die Hölle komme ich wohl nicht, aber mir entgeht wohl Wesentliches:
Sie verzichten mit Ihrer Entscheidung nicht nur auf die Pflichten, besonders die Kirchensteuer, (…) sondern auch auf die Rechte, die sich daraus ergeben, wie z. B. (…) den Sakramentenempfang und die kirchliche Beerdigung bzw. Traufeier.
Ihr kennt das: Ihr seid aus der Kirche ausgetreten, sterbt und plötzlich fällt euch ein, dass ihr ja jetzt an eurem Grab, das ihr ohnehin erhaltet, gar keinen Pfarrer stehen haben werdet, der Leuten, die es besser wissen, Lügen über euch erzählt. Eine grauenvolle Vorstellung, nicht? Und auch eine kirchliche Traufeier bleibt mir also künftig verwehrt. Niemals wird eine Frau mit mir in einem hässlichen und viel zu teuren Kleid würdevoll zum Altar schreiten, stattdessen müssen wir es in privatem Rahmen krachen lassen. Das betrübt mich sehr.
Die Aussicht darauf, auf den Genuss trockener Oblaten und billigsten Messweins künftig verzichten zu müssen, ist dagegen irgendwie beruhigend. Der Serienbrief endet mit „Gottes Segen“, was ungefähr das Letzte ist, was sich ein aus Gram ausgetretener Mensch wünscht, aber schaden kann’s wohl nicht.
Die Kirche muss nerven!
Walter Mixa, Bischof
Was haben sie – die Kirchenleute – falsch gemacht? Die Frage ist schon falsch. All das, was in der katholischen Kirche abstoßend ist, ist nichts, worauf ihre Generation nennenswerten Einfluss hätte. Die Kirchensteuer ist nicht einmal mein größtes Problem mit der Kirche, obwohl mir unklar ist, wieso man quasi ab Geburt gratis und oft unerwünscht reinkommt und dann für den Austritt zahlen muss, um nicht weiter zahlen zu müssen. Die Probleme liegen tiefer.
Es sind nicht nur die Lügen. Mit etwa 16 Jahren begann ich mich rational mit der Kirche zu befassen, weil ich durch Zufall auf allerlei Aufsätze über den historischen Jesus gestoßen war. Ich habe in den Folgejahren sehr viel Geschichtliches nachgeholt, von den Apokryphen und den biblischen Verweisen auf Aschera, Ba’al und nicht zuletzt die Hochzeit Maria Magdalenas mit Jesus, und habe – spät – erkannt, dass die katholische Kirche im Laufe der ersten Jahrhunderte ihres Bestehens sehr viele ihrer Ursprünge mit Absicht verschleiert hat. Religionen sind selten rational, aber die katholische Kirche basiert offenbar zu einem nennenswerten Teil auf Lügen. Das ist schon mal ein ganz, ganz schlechter Ansatz.
Es ist nicht nur die Prunksucht. 2013 zahlten die Bundesländer 419 Millionen Euro an beide Staatskirchen, ich gehe von einer ungefähren Gleichverteilung aus. Von diesem Geld, das sich die Bundesländer letztendlich von den Steuerzahlern, zu denen der Großverdiener „Kirche“ nicht einmal gehört, einzahlen lassen, werden nicht nur Gehälter bezahlt, auch das Eigentum will wohl verwaltet sein. Bischof Tebartz-van Elst hat sich dabei vermutlich nur wenig untypisch verhalten, er war nur weniger geschickt als seine Amtskollegen.
Es ist nicht nur die Verquickung von Staat und Kirche. Dass die katholische Kirche auf Mafiamethoden heutzutage wohl weitgehend zu verzichten versucht, ändert nichts daran, dass sie die Früchte hiervon noch heute ernten kann. Religionsfreiheit ist in Deutschland nur bedingt gegeben: Wer etwa in einer staatlich subventionierten, aber kirchlich betriebenen sozialen Einrichtung arbeiten möchte, muss Mitglied einer christlichen Kirche sein, sonst bleibt er draußen. Das ständige elende Gebimmel, das ich schlicht als Ruhestörung empfinde, und Spaßverbot auf kirchliches Geheiß tun ihr Übriges zu meiner Angewidertheit.
Es ist nicht nur das Ergötzen an der eigenen Großartigkeit. Täglich sterben viele alte Menschen nach langem, unwürdigem Siechtum unter den, wie es heißt, wachsamen Augen eines schützenden Gottes. Gute Arbeit. Lobet den Herrn.
Ich weiß nicht, ob ich ein unreligiöser Mensch geworden bin. Ich bin durchaus der Ansicht, dass das Erlangen inneren Friedens, wie ihn einige Religionen in irgendeiner Form lehren, schon aus egoistischen Motiven ein Ziel im Leben sein sollte, auch halte ich nicht alle Religionen für ein Relikt düsteren Mittelalters. Ich halte den Glauben, welchen auch immer man gerade haben mag, nur für etwas, dem ein langsames und oft allzu weit von meiner persönlichen Moral entferntes und unpersönliches Konstrukt wie die katholische Kirche diametral entgegensteht.
Und das weiß die katholische Kirche wohl auch ganz gut. Serienbriefe für Austritte, schlimmer wird’s nimmer.
Kirchen gibt es hier genug. Aber fromme Augen sehe ich so wenig.
Paula Modersohn-Becker
ERSTER! ROFL! Hätte man nicht warten können?!
FAIL! Gefällt mir.
Hä? Du hast vollkommen Recht! m(
TL;DR: Ich mag Wurst.
Was für ein selten bescheuerter Beitrag.
Ein Leser mehr!
Gefällt mir.
WTF Full ACK! +1 Jehova! Jehova!
Und abermals krähte der Hahn.
Erschreckend, diese christliche Leitkultur. Was am wenigsten geglaubt wird, ist, daß Gewalt gegen Kinder eins der Leitprinzipien der katholischen Erziehung ist. Sowas prägt Europa.
Du hast vollkommen Recht!
Das Thema ist hässlich.
Naja, ein Punkt: Die Grabrede.
Ich war mal bei einer Beerdigung besonderer Art. Die hatten einen bezahlten Redner, der die Lügen vortrug.
Sein Duktus deutete eher darauf hin, dass er wohl meist Büttenreden verfasste.
Die Hinterbliebenen waren hinreichend entsetzt.
Als ich ca. 1995 aus der Kirche ausgetreten bin war’s noch gratis :-), also das Austreten!
Und der „Serienbrief“ der damaligen Zeit bestand aus einer Kopie einer Kopie einer Kopie…(bitte 1000 mal wiederholen)
eines irgendwann mit Schreibmaschine erstellten formlosen Schreibens, in dem sinngemäß stand, ich möge mich doch bitte mit
unserem „Dorfpfarrer“ in Verbindung setzen, auf dass er mich wieder „bekehren“ könne, hahahaha.
LOL!
Klingt nach Exorzismus.
werd erwachsen, ist mal an der Zeit.