Mitunter nutze ich dasselbe Verkehrsmittel wie einige Grundschüler, deren Unterricht gerade endete. Auch heute saßen direkt vor mir drei dieser Gestalten. Zwei von ihnen trugen den umgangssprachlichen Ruf eines „ABC-Schützen“ nicht zu Unrecht.
Während der dritte damit beschäftigt war, seltsame Figuren zu zeichnen, ließen sich die anderen beiden Kinder zu immer neuen Spielen inspirieren. Obgleich die Lo-Fi Resistance mein Ohr ummantelte, ließ es sich aufgrund lauten Krakeels und auch sonst nicht unauffälligen Verhaltens nicht vermeiden, dass ich einige davon mitbekam. Der in der Ecke sitzende Junge mit dem auffallenden Milchgebiss suchte wiederholt körperliche Nähe, indem er sich an den zeichnenden Nebensitze kuschelte oder seinem Gegenüber um den Hals fiel. Das gipfelte darin, dass sich die beiden Gegenüber gegenseitig ans Gemächt (die, Zitat, „Eier“, Zitat Ende) fassten. Die bis dahin noch mitfahrende Betreuerin schaute verwundert, gab sich aber mit der Antwort, der jeweils andere habe angefangen, zufrieden.
Etwas weniger wunderlich immerhin war das minimalistische Räuber-und-Gendarm-Spiel. Die bereits erwähnten Gegenüber zeigten mit dem Finger aufeinander und machten „Buuuuuuuuuuumm!“, was wohl ein Explosionsgeräusch darstellen sollte. Seit wann man Handfeuerwaffen mit explodierenden Dingen bestückt und seit wann ein Knall, üblicherweise ein punktuelles Geräusch, mit einer Vokalverlängerung dargestellt wird, sofern man ihn nicht gerade mit dem anglophonen Wort für einen Ansturm („boom“) verwechselt, traute ich mich aus Scham davor, die Antwort nicht zu verstehen, nicht zu fragen.
Dass der kriegslüsterne Nachwuchs irgendwann das Fahrzeug verließ, gab mir zu meiner Erbauung zudem Gelegenheit, Zeuge einer anderen Subkultur zu werden. Es folgten ihm nämlich zahlreiche Realschüler großteils weiblichen Geschlechts. Von diesen nahmen vier vor mir Platz, wie üblich saßen diejenigen mit dem weniger unerfreulichen Gesicht mit dem Rücken mir zugewandt.
Über die Gesprächsthemen der vier kann ich, der Lo-Fi Resistance sei Dank, mich nur unzureichend äußern; es ging, so weit ich das mitbekommen habe, um Jungs, Feiern und welche der Mitschülerinnen man am wenigsten mag. Erquickend war auch weniger die Diskussion darüber, wessen iPod nun hübscher sei (knallrosa und bonbonblau standen zur Qual Wahl), sondern der Diskussionsstil.
Wann kam es eigentlich in Mode, beim Sprechen selbst in Bus oder Zug mit den Händen in der Luft herumzufuchteln? Das scheint auch ein rein weibliches Phänomen zu sein; bei andersgeschlechtlichen Jungmenschen habe ich das noch nicht gesehen. Indes erinnere ich mich noch an das Erlebnis, während dessen ich erstmals auf die genannte Angewohnheit aufmerksam gemacht wurde: Vor einigen Jahren saß ich im Zug nicht unweit einer Familie, deren Tochter gerade aus den USA zurückgekehrt war und beim Berichten ebenfalls wild umherfuchtelte, was die Mutter zu der Bemerkung veranlasste, diese Marotte sei wohl ein Relikt ihres Auslandsaufenthaltes. Aus den USA bringt man also (gemäß Max Goldt), wie es scheint, nicht nur ein furchtbar schlechtes Englisch, sondern auch noch ein furchtbar nervöses Verhalten mit. Ich bin der Familie für diese Warnung noch heute sehr dankbar.
Gefuchtel und Gestotter („ey, ey, äh, ne?“) schließen sich allerdings – immerhin – offenbar gegenseitig aus. Wer fuchtelt, kann sich anscheinend besser artikulieren. Vielleicht sollte ich das auch einmal ausprobieren, zum Beispiel, wenn mich ein geldgieriger Anwalt wegen meiner Haltung zu Impressen vor Gericht in die Pfanne hauen will.
(Wäre auch mal von Interesse: Kann es sein, dass man als junge Person sein Schuhwerk heutzutage nicht mehr danach auswählt, wie vorteilhaft für die Benutzung der eigenen Gehwerkzeuge sie sind, sondern danach, wie gut sie sich zur Beschriftung eignen? Zu meiner Zeit waren wir noch froh, nicht in labberigen Stofffetzen durch den Regen waten zu müssen, ach!)
Ich war nie so.
Nachtrag von 19:56 Uhr:
Erschüttert nahm ich zur Kenntnis, dass ein beträchtlicher Teil meiner Leser Ernst Jandl nie gelesen hat. Ich habe den vermeintlichen Schreibfehler dezent beseitigt und bin wirklich sehr enttäuscht.
Hast Du das immer noch nicht geschnallt? Anwälte werden von ihren Mandanten (z. B. Mitbewerber, Urheber etc.) beauftragt, tätig zu werden. Nach all den Emails hätte ich gerade von Dir schon ein wenig mehr Sachverstand, als sonst üblicherweise im Netz anzutreffen ist, erwartet. Der Anwalt kann i. d. Regel gar nicht von selbst tätig werden (es sei denn, er ist selbst in seinen eigenen Rechten betroffen).
Mann, Mann, Mann!
Schön, dass du darauf anspringst. Ziel also nicht verfehlt. (Nimm mich doch nicht immer so ernst.)
Wer ist denn aufgrund eines mangelhaften Impressums „in seinen Rechten betroffen“ und wäre somit befugt, hierfür einen Anwalt zu konsultieren? Einmal abgesehen davon muss ein Anwalt ja auch nicht jeden Fall übernehmen, vor allem daher glaube ich, es im Zweifelsfall primär mit den geldgierigen Vertretern der Zunft zu tun zu bekommen.
Ich habe sogar darauf verzichtet, dich zu verlinken.
(Und gerade jetzt wäre ein Anwalt vonnöten, ich müsste für ein Ehrenamt einiges an Meterial sammeln, es geht um das Verfassen der Satzung eines Fördervereins. Ich bin jetzt schon müde…)
Ich nehme Dich NIE ernst. Betroffene können z .B. Mitbewerber sein, wenn z. B. ein Mitbewerber keine Telefonnummer oder keine Handelsregisternummer angibt, oder wenn die notwendigen Angaben nicht leicht erkennbar sind (§ 5 TMG) (das ist in diesen Fällen alles sehr umstritten und wird uneinheitlich entschieden).
Es gibt noch einige andere Gründe, die ich hier aber nicht öffentlich erläutern möchte.
Da Tux sich scheinbar in der Öffentlichkeit aufhält, um kleine Kinder zu beobachten, anstatt studieren zu gehn, finde ich schon, dass man sich mal wegen irgendwas vor Gericht treffen könnte. Und wenn man das in Hamburg macht, gewinnt man wahrscheinlich eh, so absurd es auch sein mag.
Ich habe Mitbewerber? Wusste nicht mal, dass ich ein Gewerbe betreibe.
Hm, zählt „Dicksein in der Öffentlichkeit“ als Klagegrund?
@tux: Dir wird höchstens ein Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. §§ 16, 5 TMG (Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro) aufgrund Deiner besonderen Darstellung Deines Impressums ins Haus flattern. Der Bescheid käme allerdings von der Behörde und nicht von einem Anwalt. Den würdest Du dann aber bitter nötig haben…wodurch Anwälte für Dich wieder etwas gottähnlicher werden dürften
@Bautram: Ja, Tux braucht unbedingt eine gerichtliche Abreibung…und ich ein Mandat
Götter arbeiten unentgeltlich, habe ich das aus der Religionslehre richtig in Erinnerung?
Ich schrieb „gottähnlich“ und nicht „gottgleich“. Das lernt man übrigens auch im Jurastudium: Genau zu lesen. Die angemessenen Beträge sind übrigens der Gebührentabelle zu entnehmen.
Ja, da endet die Göttlichkeit.
„Angemessen“ ist auch so ein Wort, über das man sich eigentlich mal ernsthaft unterhalten sollte.
Kann man gerne tun. Aber die Gebührentabelle ist Gesetz. Verhandelbar nur in gewissem Rahmen.
So kann man sich das natürlich auch einfach machen.
Ich denke nicht, dass „Dicksein in der Öffentlichkeit“ strafbar ist. Im Moment jedenfalls noch nicht. Unabhängig davon bin ich ja nur sehr selten ausserhalb meiner Wohnung zu entdecken und halte mich dann mit Vorliebe in meinem Fahrzeug oder in Räumlichkeiten von Menschen auf, die ich sehr gut kenne. In der Öffentlichkeit halte ich mich nur beim Einkauf auf. Und wenn die Bürokratie mich dazu zwingt.
Schade!
Kann es sein, dass du eine schlechte Kindheit hattest? Ich mag dich jetzt nicht damit angreifen und hoffe du nimmst das nicht falsch auf, aber es interessiert mich, ernsthaft!
Tux HAT eine schlechte Kindheit.
Meine Kindheit war prima, meine Klassenkameraden hatten nie Interesse daran, mir an den Sack zu fassen.
Hätte ich es mal gemacht: Dann wäre ich jetzt vielleicht auch Musikproduzent in Laatzen.
Welcher Musikproduzent fasst denn Knaben ans Gemächt?