Martin Luther King hatte einen Traum, überlebte ihn aber nicht, wohingegen er wenige Jahrzehnte später so erfolgreich gewesen wäre wie nicht viele vor ihm: „Wir erfüllen Träume“ versprechen wohl unabhängig voneinander qua Motto die Juhuwelt Werbeagentur, der „Tagesspiegel“, die Campingwelt Hofmann, CTR Fahrzeuge, ImmoScout24, mehrere Hausbauer (darunter Sauter und DIG), der Juwelier Christ, das Autohaus Tarnow-Stegbauer, Five Broker sowie die Schreinerei Anderer. Um in diesem Traumgemenge nicht unterzugehen, wagen manche die neckische Abwandlung: „Wir erfüllen Träume seit 1950“ (Falk Fashion) bzw. immerhin „seit 1985“ (Zeidler-Wohnbau Feucht GmbH, hihi), „in Naturstein“ (Klecha Bau), „aus Weißtannen“ (Die BlockHausBauer) und/oder „auf vier Rädern“ (Audi Berlin).
Der Traum ist eines der Dinge, die am meisten an Wert verloren haben, als der Mensch Fantasie in Vermögen zu messen begann: „Miriam Weilmünster aus Bad Vilbel stellt in der Fernsehsendung ‚Die Höhle der Löwen‘ Brustwarzenabdeckungen vor und erfüllt sich damit einen Traum“ (FAZ.net, 5. September 2022). Früher war ein Traum mitsamt seiner Erfüllung ja noch Teil eines zufriedenen Lebens, von der Gunst „der Einen“, von der man ohnehin ganztags träumt, bis hin zum Weltfrieden (der Traum ist aus, R.R.) war er vielschichtig, aber er ist zur leeren Hülle verkommen, zur Worthülse für Phrasendrescher, zur Plapperpatrone.
Was ist eine Menschheit, die „Traum“ (ein Produkt der Fantasie) sagt, wenn sie „Besitz“ (ein Produkt des Konsums) meint, sich selbst noch wert?
Gibt es denn noch keine Kurse, um luizides Träumen zu lernen?
