Lange nichts mehr über Musik geschrieben.
Im Jahr 1993 veröffentlichte der Gitarrist Caspar Brötzmann, Sohn des Jazzmusikers Peter Brötzmann, mit seiner damaligen – und mittlerweile wohl wieder bestehenden – Band, die er schlicht „Massaker“ (nicht mit der ebenfalls sehr guten Experimentalgruppe Massacre zu verwechseln) nannte, ein Album namens „Koksofen“. Benjamin Moldenhauer vom „Neuen Deutschland“ befand die „Inszenierung dunkler, extremer und gewaltvoller Maskulinität“ als „vor allem angestrengt und auch ein bisschen stumpf“. Das macht neugierig.
Ich hatte das Album vor einigen Jahren schon einmal gehört, für gut befunden und dann völlig vergessen. Beim Stöbern in meinem Hamburger Lieblingsplattenladen (den ich natürlich nicht preiszugeben vorhabe, sonst gehen da alle hin und kaufen mir alles weg) sah ich zufällig, dass Southern Lord, die Plattenfirma von Stephen O’Malley (bekannt von Sunn O)))), „Koksofen“ neu aufgelegt hatte (Amazon.de; TIDAL hat nur eine ältere Fassung im Sortiment), und griff zu.
In „Wiege“, einer angenehm avantgardistisch untermalten Geschichte, die thematisch Falcos „Jeanny“ zumindest ähnelt, benutzt Caspar Brötzmann, der auf „Koksofen“ nicht nur Gitarre spielt, sondern auch spricht (Gesang im eigentlichen Sinne gibt es nicht), die Redewendung, das lyrische Ich habe „dafür gesorgt, dass ich deine einzigste Geliebte bin“. Das gibt Punktabzug. Die Darbietung des schlimmen Deutschs ist allerdings als gelungen zu betrachten. Den Textvortrag, gerade in Verbindung mit den doch recht dunklen Texten, mit Nick Cave und Klaus Kinski zu vergleichen ist mir zu müßig, weil es alle machen, obwohl sie die Nuancen der Intonation – auf „Koksofen“ eher geraunt als exaltiert – kaum beachten; dabei tragen auch diese merklich zum Gesamtbild bei.
Die zugehörige Musik ist trotz des familiären Jazzhintergrunds eher in Gothic und Postpunk zu verorten, allerdings zeigt sich, dass Caspar Brötzmann sein Instrument vor allem als Spiel-Zeug begreift: Verzerrte Gitarrenströme reißen auf „Koksofen“ alles mit sich, was zuvor Struktur gab. „Koksofen“ ist ein anstrengendes Album und manchmal brauche ich das.
Caspar Brötzmann sei, sagte er vor ein paar Jahren in einem Interview, mittlerweile auf den Bass umgestiegen. Ich komme nicht umhin, daraus Neugier zu ziehen.
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