NetzfundstückePersönliches
Über Wohl­stand

Den höchst unglücklichen Zustand, daß einem die Intelligenz nichts einbringt als Überlegenheitsgefühle, habe ich vor mindestens zwanzig Jahren überwunden. Es ist nicht mein Problem, daß SIE das nicht merken.


Dass bei „Fri­days For Future“ wie bei jeder nam­haf­ten Mas­sen­ver­an­stal­tung auch zahl­rei­che men­tal Defek­te zuge­gen sind, beleg­te erst gestern wie­der ein Kan­di­dat der Ham­bur­ger „Lin­ken“ zur kom­men­den Bür­ger­schafts­wahl, der pünkt­lich zum Jah­res­tag blogg­te (Archiv­ver­si­on gegen über­ra­schen­des Ver­schwin­den hier) und natür­lich auch twit­ter­te, ein „Kli­ma­ho­lo­caust“ dro­he; der Holo­caust sei außer­dem „eines der größ­ten Ver­bre­chen“ im Welt­krieg gewe­sen. Lei­der wur­de kei­ne Rang­li­ste der größ­ten Ver­bre­chen bei­gefügt. Ein nen­nens­wer­ter Vor­wurf an „die Nazis“ sei es über­dies, dass ihre Pan­zer „rie­si­ge Men­gen an CO2 pro­du­ziert“ hät­ten. Die­ses Mit­mach­in­ter­net regt mich auf. Eine Wahl­emp­feh­lung gebe ich aber trotz­dem nicht ab. Ham­burg ist zur­zeit nicht mein Problem.

Ist Inter­es­sier­ten auf dem ver­link­ten Blog noch etwas auf­ge­fal­len? Nein, ich mei­ne nicht das typi­sche „Design“, das die obe­re Hälf­te des Brow­ser­fen­sters mit einem Grin­se­ge­sicht und – jeden­falls noch – einem Fri­days-for-Future-Logo voll­pla­ka­tiert. Aus­nahms­wei­se mei­ne ich auch nicht den gram­ma­ti­ka­li­schen Faux­pas, von „in 2020“ zu spre­chen, wo „2020“ nicht nur rich­tig wäre, son­dern außer­dem völ­lig genü­gen wür­de. Nein, ich mei­ne das ein­ge­bun­de­ne Bild, das wohl von der Agen­tur „AP“ (Asso­cia­ted Press) über­nom­men wur­de. Zu sehen sind, ganz im Dien­ste der diver­si­ty, vier wei­ße Kli­ma­ak­ti­vi­stin­nen, dar­un­ter Gre­ta Thun­berg und Lui­sa Neu­bau­er, ihrer­seits eine Toch­ter aus gutem rei­chem Hau­se mit deut­li­chem Grün­stich. Das bil­de die Bewe­gung doch ganz gut ab, könn­te man annehmen.

Man gestat­te mir einen per­sön­li­chen Exkurs. Ich wuchs als Kind einer Arbei­ter­fa­mi­lie auf, Reich­tum habe ich lan­ge Zeit nicht gekannt. Statt­des­sen habe ich von mei­nen kriegs­er­fah­re­nen Groß­el­tern und hart arbei­ten­den Eltern schon früh gelernt, dass es bereits als Wohl­stand gilt, in Frie­den zu leben und sich sowohl sein Bett als auch sein Mit­tag­essen lei­sten zu kön­nen, ohne Angst vor dem näch­sten Tag haben zu müs­sen. Dass sich mein Ver­hält­nis zum Kapi­tal seit­dem zu einem freund­schaft­li­chen ent­wickelt hat, ist als Zufall zu wer­ten und los­ge­löst davon zu betrach­ten. Sicher­lich bedeu­tet Wohl­stand für Men­schen aus ande­ren sozia­len Milieus als dem mei­nen etwas ande­res; ich selbst bin als Wohl­stands­kind (die sozia­le Schicht, nicht die – wenn auch gute – Band) in einem sol­chen auf­ge­wach­sen, der zwar kei­ner finan­zi­el­len, wohl aber einer diplo­ma­ti­schen Natur ent­springt: Außer dem Iwan woll­te mir als Kind, wie Nach­rich­ten aus jener Zeit glaub­haft (aber ver­geb­lich) zu ver­si­chern ver­su­chen, kei­ner ans Leder. Es hät­te schlim­mer kom­men kön­nen, ich hät­te zum Bei­spiel in einem Staat wie Ugan­da auf­wach­sen können.

Statt­des­sen ist dort, in einem der ärm­sten Staa­ten der Welt, Vanes­sa Naka­te auf­ge­wach­sen. Mit 23 Jah­ren ist sie ver­mut­lich zu jung, um sich selbst an Idi Amin zu erin­nern, aber davon aus­zu­ge­hen, dass sie eine aus euro­zen­tri­scher Sicht von sozia­lem und finan­zi­el­lem Wohl­stand gepräg­te Kind­heit hat­te, wäre den­noch nicht ange­mes­sen. Vanes­sa Naka­te habe, teilt das Inter­net mit, im Janu­ar 2019 in ihrem Hei­mat­land ein BWL-Stu­di­um abge­schlos­sen und danach mit dem Aus­rich­ten von „Kli­ma­streiks“ nach schwe­di­schem Vor­bild begon­nen. Was will man mit einem BWL-Stu­di­um auch sonst anfangen?

Wie sich das für eine auf­stre­ben­de Akti­vi­stin, Spre­che­rin und auch sonst Nicht­viel­tue­rin schon aus Grün­den der street cre­di­bi­li­ty gehört, rei­ste Vanes­sa Naka­te gemein­sam mit weni­gen ande­ren Vor­zei­ge­per­sön­chen aus dem „Klimastreik“-Umfeld nach Davos; mut­maß­lich, um dort Donald Trump anzu­schrei­en. Nun ist die Aus­wahl an pres­seh­ei­ni­kom­pa­ti­blen Bild­for­ma­ten aber eine ver­gleichs­wei­se klei­ne, so dass der „AP“-Fotograf nach dem Ablich­ten der fünf Anstren­gen­den die Sche­re ansetz­te: Gre­ta Thun­berg soll­te grö­ßer drauf sein und das blö­de Gebäu­de am lin­ken Bild­rand ver­schwin­den, also schnitt er Vanes­sa Naka­te raus. Was in einer Welt, die „Köp­fe statt The­men“ (hier: Gre­ta Thun­berg und Lui­sa Neu­bau­er) für eine ver­nünf­ti­ge For­de­rung an jed­wel­che Grup­pe hält, weil sich Köp­fe bes­ser ver­mark­ten las­sen, kein gro­ßes Pro­blem dar­stel­len soll­te, wur­de hier aber zum Poli­ti­kum, weil die ein­zi­ge Afri­ka­ne­rin unsicht­bar gemacht wur­de. Man sol­le nicht auf Haut­far­ben ach­ten, beschwö­ren „Pro­gres­si­ve“ seit lan­ger Zeit, aber man möge doch eine Aus­nah­me machen, wenn mal einer eine ande­re Haut­far­be hat als die ande­ren. Aus­ge­rech­net „BuzzFeed News“ teil­te Vanes­sa Naka­te ihre Ent­täu­schung mit: Das Nicht­auf­tau­chen auf dem ver­öf­fent­lich­ten Foto sei „the worst thing I have ever seen in my life“, also das Schlimm­ste, was ihr je wider­fah­ren sei.

Den ersten Reflex, über­all gleich Ras­sis­mus zu sehen, wo bloß bild­äs­the­ti­sche Über­le­gun­gen (bezüg­lich des Gebäu­des, nicht bezüg­lich der Akti­vi­stin) eine Rol­le spiel­ten, möch­te ich an die­ser Stel­le gar nicht wei­ter behan­deln. Statt­des­sen möch­te ich eine Fra­ge stel­len. Wenn das Leben eines Euro­pä­ers mit regel­mä­ßi­gen war­men Mahl­zei­ten und einem gere­gel­ten Ein­kom­men bereits, zum Bei­spiel von mir, als „Wohl­stand“ begrif­fen wird: Wie viel ist es im Ver­gleich zu einem Leben wert, des­sen Schlimm­stes es ist, auf einem Foto zu fehlen?


Auch wit­zig: Beim „Han­dels­blatt“, des­sen Web­site mehr Benut­zer­ver­fol­gungs­scripts ein­zu­bin­den ver­sucht als das FBI und des­sen Web­zu­stän­di­ge einen beson­ders gesi­cher­ten Brow­ser aktiv bekämp­fen, ist pünkt­lich zum dies­jäh­ri­gen Daten­schutz­tag zu lesen, Daten­schutz sei „ein Motor für die Digi­ta­li­sie­rung“. Bleibt man bei die­sem Sprach­bild, so liegt das „Han­dels­blatt“ ver­mut­lich als Total­scha­den irgend­wo in einem mat­schi­gen Gra­ben am Straßenrand.

Senfecke:

  1. Hat man eigentlch schon errechnet,was die Abschaf­fung der 1 und 2 Cents-Mün­zen für die Kli­ma­bi­lanz tuen tut?
    fra­ge für eine rei­che Ente,die anonym blei­ben möchte…

  2. ….richtig…vom CO2, wel­ches Adolfs Pan­zer aus­ge­sto­ssen haben, zeh­ren wir immer noch.…..

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