In der „New York Times“ wurde im Februar 2018 eine Kolumne veröffentlicht, der zufolge sich eines Mannes Musikgeschmack im Alter von 14 Jahren für endgültig erklärt. Es ist insofern denkbar, dass ich eines fernen Tages – vor meinem Ableben – noch einmal erklären soll, warum ich damals außer meinen ersten zaghaften Gehversuchen mit den Ärzten, den Toten Hosen, den Fantastischen Vieren und ein paar Punk- und Neopunkbands zweifelhafter Qualität vor allem Funktionsmusik für die für mich geeignete hielt; unter meinen ersten gekauften CDs (das kennen die Jüngeren ja gar nicht mehr, „CDs“ und „kaufen“) befanden sich mehrere von Künstlern, die sich DJ nannten oder wenigstens einen solchen zur Aufführung ihrer Werke benötigten.
Dass ich vieles, was ich heute für unverzichtbare Musik halte, mit 14 Jahren als störendes Relikt aus Nachkriegszeiten wahrgenommen habe, ist mir heute nicht einmal peinlich, sondern vielmehr ein Zeichen für den Willen zur Selbstverbesserung. Ich weiß nicht, ob ich dereinst, wenn mein schon jetzt gelegentlich Dummheiten ausheckender Verstand sich aufs Altenteil zurückgezogen haben wird, plötzlich wieder großes Interesse an der aus wenigstens qualitativer Sicht einigermaßen schlimmen Musik aus den Neunzigern haben werde, wahrscheinlich wird mich aber auch das dann nicht mehr besonders stören. Allein: Ist es nicht wundervoll, dass es so viel zu entdecken gibt? Und sollten nicht diejenigen, die gelegentlich feststellen, dass mein Musikgeschmack nicht der ihre ist, sich vielmehr darüber freuen, dass ich nur anstrengende Rock- anstelle blöder Stampfmusik für fantastisch halte?
Der Autor der „New York Times“, Seth Stephens-Davidowitz, ungefähr in meinem Alter, schließt seinen Text mit der nahe liegenden Frage: Wenn die Zahlen stimmen – warum hat er sich nur so abnormal entwickelt? Eigentlich ist das ein prima Ziel für jeden, dem der große Plan noch fehlt: Die Vierzehn überwinden und sich abnormal entwickeln. Man bekommt so ein angenehmes Lebensgefühl dadurch.