Twitter hat wieder etwas geändert und die deutsche Internetgemeinde ist dermaßen empört, dass sie heute von 10 bis 12 Uhr einen geplanten Twitterstreik abhielt, der wie gewohnt folgenlos verhallte. Klar, so’n Sitzstreik ist bei einer Fabrik wahrscheinlich effizienter als bei einem Mikroblog.
Worum geht es? Nun, Twitter zeigt künftig auch möglicherweise interessante Tweets von Leuten an, denen man nicht folgt. Bislang kommen ja bereits Leute, die zum Beispiel die offizielle Twitter-app unter Android nutzen (dazu später mehr), in den Genuss von Werbeeinblendungen von Firmen, denen man ebenfalls nicht folgt.
Früher – Opa erzählt vom Krieg – hat Twitter das schon einmal gemacht, jedoch wurde diese Funktion wohl wieder entfernt. Weniger Benutzer hat Twitter dadurch nicht bekommen, das Gegenteil ist der Fall. Allerdings ist die Schar der Twitternutzer ohnehin eine treue und lässt sich ungern vertreiben; so hat Twitter zum Beispiel auch seine neueste Umgestaltung schätzungsweise exakt keinen einzigen seiner Benutzer gekostet. Rabääh, der blöde Onkel schenkt mir nur noch Karamell- statt Sahnebonbons. Oh, Gratisbonbons! Twitter ist ein kostenloser, jedoch börsennotierter Dienst, der mit mehr Benutzern auch mehr Verlust macht.
Also gilt es, die Marke Twitter zu stärken. Das ging diese Woche daneben: Seit einigen Jahren ist Twitpic einer der beliebtesten Anbieter von Speicherplatz für zu twistende Bilder. Damit hat Twitter auch kein Problem, nur hätten sie es gern gesehen, wenn Twitpic seinen Eintrag im Markenregister löscht; wissenschon, wegen „Twit“ am Anfang. Das ging in die Hose, der Besitzer von Twitpic macht lieber zu als nur die Marke Twitpic aufzugeben, um einen möglichen Namensmissbrauch auszuschließen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um eine Namensänderung des Unternehmens, für den Benutzer hätte sich, wäre es nach Twitter gegangen, gar nichts geändert. Wirtschaftliche Zusammenhänge sind dem typischen Twitterer aber meist fremd, und so schlägt es sich eigentlich ganz gut auf das böse Twitter (natürlich per Tweet) ein, das kleine Unternehmen zum Dichtmachen zwingt. Irgendwas ist ja immer.
Interessant fand ich dann aber doch diesen Auszug aus einer Stellungnahme von Twitter:
We encourage developers to build on top of the Twitter service, as Twitpic has done for years, and we made it clear that they could operate using the Twitpic name.
Twitter ermutige also Entwickler, ihre Dienste auf Twitter aufzubauen, behauptet Twitter. Das war mit dem alten API – OAuth 1.0 – auch noch einigermaßen zutreffend, man konnte sich ja damals zwischen all den ständig neuen Twitterclients gar nicht so recht entscheiden. Am 25. Mai 2011 allerdings kaufte Twitter den damals führenden Drittanbieter-Desktopclient TweetDeck und baute in der Folge seine Dienste um: Seit dem 17. August 2012 unterliegen jegliche Twitterclients einer strengen Beschränkung: Haben sie zu viele Nutzer, werden irgendwann keine weiteren mehr zugelassen. Ausgenommen sind solche Programme, die entweder schon vor Einführung der Begrenzung mehr Benutzer hatten, sowie solche, die Twitter gegenüber „besondere Funktionen“ nachweisen können, die die offiziellen Twitterclients nicht bieten können.
Dabei wird das offenbar ziemlich konservativ ausgelegt: Twitpic gehörte zwar anscheinend dazu, beliebte Anwendungen wie MetroTwit und Falcon Pro trotz mancher Verbesserung gegenüber der Originalversion jedoch nicht. Dass meine eigene Twitteranwendung ZenTweet noch funktioniert, ist also ein reiner Glücksfall.
Wie eigentlich immer, wenn Twitter irgendetwas tut, probt die Menge also den Exodus und wirbt für Alternativen. Vor einigen Jahren hießen diese Alternativen identi.ca und Friendica; es würde mich nur wenig überraschen, wenn beide mittlerweile ihren Dienst eingestellt haben, man hört nämlich nur mehr wenig von ihnen, seit identi.ca – Trommelwirbel! – etwas geändert hat. Der gemeine Twitterer kann nicht lange verzichten. (Auch vollständige „soziale Netzwerke“ erleiden Ähnliches: Diaspora* etwa, noch vor wenigen Monaten das „neue kommende Ding“, nutzen anscheinend nur noch Unverbesserliche und Leute wie ich. Die Herde bleibt eben gern beisammen. – Wobei der Facebooknachfolger Diaspora* mit Ello ja nun wiederum, glaubt man ausnahmsweise dem medialen Tammtamm, einen Nachfolger bekommt, dessen Nischenstatus das ebenfalls recht neue Mozillians beinahe noch an Obskurität übertrifft. Erinnert ihr euch noch daran, als jeder Google+ toll fand, weil man dafür eine Einladung brauchte? Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Klammer zu, denn…)
… ich schweife ab, es ging ja um Twitter. Meine dortige timeline bemüht sich momentan darum, aus Protest Quitter gut zu finden. Bei Quitter handelt es sich um eine von mehreren Installationen von GNU Social (ehemals StatusNet), das sozusagen das Mikroblog des GNU-Projekts darstellt und genau so aussieht, wie man es von einem GNU-Projekt erwartet, nämlich stinklangweilig. Etwas besser anders macht es Quitter (daher wohl der Name) allerdings schon, indem es abseits der „klassischen“ Version das alte Aussehen von Twitter nachahmt, „Requeets“ und Anbindung an das eigene Twitterkonto inklusive. Bislang hat Twitter das allerdings wohl noch nicht mitbekommen.
Der Erfolg von Twitter gründet sich jedoch nicht auf sein Aussehen, sondern auf seine Infrastruktur. Dass Twitter, Inc. allmählich immer mehr „fremde“ Dienste absorbiert, ändert nur wenig daran, dass sich der interessierte Nutzer zwecks Nutzung des Dienstes noch immer zwischen allerlei verschiedenen gerade auch mobilen Anwendungen entscheiden kann, die überwiegend deutlich besser aussehen als die obendrein dauerhaft mit schrecklichen Fehlern behaftete offizielle app.
GNU Social indes hat so etwas. Und auch so etwas. Erinnert ihr euch daran, dass ich mich im Juni über das archaische Aussehen vom Total Commander ausließ? Verglichen mit den verfügbaren GNU-Social-apps ist er geradezu futuristisch. Die mobile Weboberfläche von Quitter sieht derweil – wen wundert’s? – der von Twitter nicht unähnlich.
Quitter – und damit GNU Social – hat nahezu keine bemerkbaren Benutzer außer denen, die ohnehin bei Twitter sind, keine brauchbaren mobilen Anwendungen, keine innovativen Funktionen, kein „Ökosystem“ (einige Webdienste unterstützen eine Anmeldung per Twitter und ähnliche Funktionen) und nicht nur deshalb keine allzu frohe Aussicht darauf, seine jetzt in Rage getippten neuen Benutzer dauerhaft halten zu können. Aber wer gibt schon gern zu, dass er kopflos handelt?
Alles Neue ist böse!
Grug, „Die Croods“
Dein Theme ist hässlich. m( Dein Theme ist hässlich.
Informativer Bericht, danke schön!
Das hab‘ ich nicht gewollt!
Ich nehms zurück.
„Mimimimimimimi. Wir sind die Twittercommunity. Wir sind soooo unerlaesslich fuer die Menschheit. Mimimimimimi.“
Warum bist du noch mal auf Twitter?
Ist ziemlich spät, daher das einzige was mir einfällt: für GNU Social gibt’s einen schönen Client für Android: Twidere – mit simpler HTTP Auth (natürlich nur über SSL!11!) direkt auch mit GNU Social nutzbar.
Natürlich muss man dann erstmal GNU Social einrichten, was aktuell schwieriger ist als seinen ersten Lunix-Kernel zu konfigurieren.
Twitter ist eh der größte Schwachsinn.
Ich betreibe meinen Twitter-Account nur für die jenigen, die nicht wissen, was ein RSS-Feed ist.
Eingeloggt war ich da das letzte mal vor einem Jahr oder so.
Das Meiste im Internet ist Schwachsinn.