Ich habe es wirklich versucht, mich in euch hineinzudenken, ihr Passivsportverrückten, die ihr jedes Tor seitens einer Mannschaft, deren Spieler mit euch nichts außer der Staatsangehörigkeit verbindet, mit einem frenetischen Jubel verbindet und wenigstens dafür eure wirren Gesänge („Superdeutschland, léolé“, alternativ „superdeutsch, olé olé“, alternativ „ääääööööääääööööääää“) kurzzeitig unterbrecht.
Ich habe in der verrückten Annahme, mir würde irgendein großer Spaß entgehen, wirklich versucht zu verstehen, was daran so reizvoll ist, von einem „Wir“ zu sprechen, wenn irgendwo in Südamerika, umgeben von allerlei Armutsvierteln, in denen Kinder verhungern, ein knappes Dutzend an Herren, deren Schulbildung sie offenbar nicht zu einem anständigen Beruf verleiten konnte, hinter einem Ball herrennt, dafür pro Person und Spiel mehrere Jahresgehälter eines Durchschnittsmitglieds eurer Gemeinschaft erhält und hinterher mit dummen Fragen konfrontiert wird, die etwa zum Inhalt haben, wie sie es denn fänden, gewonnen zu haben, also mental und so. „Wir“ haben gewonnen. „Wir“ exportieren Panzer und schießen im Ausland auf Menschen. Tor!
Ich habe mir das bizarre Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Brasilien tatsächlich teilweise angesehen. Kenne deinen Feind. Zum Glück wird im Fußball niemand bestochen, sonst wäre ich ein wenig skeptisch bezüglich der Statistik in der ersten Halbzeit gewesen, aber ich habe auch keine Ahnung von diesem Sport. Da bekommt also ein mehrmaliger Weltmeister dermaßen eins auf die Mütze, dass die Anhänger der brasilianischen Mannschaft zum Ende hin großteils dazu übergehen, die deutschen Spieler zu bejubeln und die eigenen auszupfeifen, und ich habe euch immer noch nicht verstanden.
Worum geht es euch, wenn ihr vor dem Fernseher oder in der Kneipe lautstark einer Zeitverschwendung zuseht, anschließend die Nachbarschaft stundenlang mit eurem Gegröle von sinnvolleren Tätigkeiten abhaltet und derart laut hupend durch die großen Städte korsot, dass ich mich sogar darüber freuen kann, in einem idyllischen stinklangweiligen Städtchen zu hausen? Protest gegen die Benzinpreise wird’s nicht sein. Ist es das Gemeinschaftsgefühl, das man entwickelt, wenn man einer großen Gruppe von Menschen (denen, die sich aus Passivsport nichts machen) gemeinschaftlich auf die Nerven fällt? Agieren brasilianische fans, die die Mannschaft, denen beim Laufen zuzusehen sie teuer erkauft haben, im Kritikfall auch mal auspfeifen, so völlig anders als ihr?
Ich habe wirklich versucht euch zu verstehen. Erklärt mir, was den Reiz dessen ausmacht, gemeinsam mit anderen Betrunkenen eine Mannschaft anzufeuern, die man danach auswählt, welche Hymne sie schief mitgrölt. Ich weigere mich anzunehmen, dass die nahe liegende Antwort, dass ihr so wenigstens kurzzeitig nicht darüber nachdenken müsst, dass eure erschreckende Passivität eine Ursache für den Zustand eures Lebens ist, die einzige Begründung liefert. Würdet ihr auf das, was euer Leben bestimmt, wenigstens fast so viel achten wie auf ein paar schlecht gekleidete Millionäre, dieses Land wäre ein besseres. Wir haben das mit der Revolution bisher offenbar völlig falsch gemacht. Vielleicht funktioniert es ja so: He, Fußballfans, der Bundespräsident hat vielleicht heimlich auf 2:0 für Brasilien getippt!
Meine Arbeit hier ist getan.
DANKE!
Endlich mal einer der das sagt
Warum ich, warum nicht du?
Du kriegst ja sonst nicht viel hin. Aber Worte.… wow. Ernsthaft.
Ihr habt doch alle keine Checkung von Fussi und Ehre.
„Fussi“?
Fussi.
Ach du meine Güte.
Habe ich von Dir gerlernt.
Ach du meine Güte.
Fussi ist klar. Aber wieso Ehre? Ob Checkung jetzt ein Wort ist, davon redet mal keiner.
ääääööööääääööööääää
Sie sind, mit Verlaub, ein Arschloch.
Lass‘ mich raten: Ganz normalen Bundesligafußball verstehst du ebenso wenig. Da führen sich die Fans nämlich haargenau so auf.
Mit Verlaub: Was der Einzelne für „sinvoll“ erachtet, steht dir nicht an zu beurteilen.
Sollte es dich tatsächlich interessieren, dann setz dich nicht vor den Fernseher. Dort kann man es nicht herausfinden. Begebe dich stattdessen ins Stadion. Vorzugsweise in den Stehplatzbereich der Heim-Fankurve, optimalerweise auf der Südtribüne in Dortmund aka „Die Gelbe Wand“.
Der Unterschied ist in etwa so wie der zwischen RTL-konform zensierten Billig-Softpornos und echtem Sex.
Im Stadion stört mich der Lärm. Man kriegt ja kaum was vom Spiel mit dort.
Warum nutzt du nicht deine Zeit besser und rettest die Welt, statt über andere herzuziehen? Wusste gar nicht, dass sich aus Prinzip aufregen ein besseres Land erschafft.
Was tust du zur Rettung der Welt? Ich bin in der Politik. Und du? Im Stadion?
Steht doch gaaaanz oben. Ist nicht schwer zu verstehn, glaub ich
Hach, immer wieder schön.
Und wo .tux(Artikelautor) Recht hat, hat er Recht!
okay, dann verrate ich dir jetzt mal das geheimnis, wie man spaß daran hat:
man nehme einen großen joint oder eine große „chalice“ („i’m smoking a chalice in a buckingham palace“, wie peter tosh bemerkte), zündet ihn an. dann dreht man – ganz ganz ganz wichtig – den ton vom fernseher ab.
dann legt man schönen reggae auf, ich empfehle „war ina babylon“ von max romeo & the upsetters, oder einen schönen dub von augustus pablo, burning spear, gladiators oder die mighty diamonds, von mir aus auch johnny clarke auflegen.
und dann hoffen, daß die mannschaften so drauf sind wie brasilien und frankreich (1984?).
fussball kann toll sein. muss man aber nicht gucken ;-)
meistens spielen nur die deutschen und die sind langweilig …
Fußball kann toll sein, wenn man stattdessen etwas anderes tut?
wieso was anderes? der spaß ist der, fußball eben auf das reduziert zu sehen, was es ist: leute die über den platz laufen, einen ball hin und her kicken und ab und an in diese viereckigen dinger zu schiessen. das kann, wenn man nicht von dem geschwätz eines vollidioten dabei belästigt wird, vielleicht sogar gar nicht weiss, wer jetzt in welchem kostüm steckt, tatsächlich schön sein. also brasilien / frankfreich 1984 (?) nach ausreichend konsum von hawaian flowertop und unterlegt von einem schönen reggae/dub mix war wunderbar ;-)
30 jahre sollten ja als „verjährt“ gelten, oder? mittlerweile gucke ich natürlich (!) kein fußball mehr ;-)