Man sollte ja meinen, dass der heise-Verlag – die c’t gibt es immerhin seit 1983 – ein paar Fachkräfte beschäftigt, die einen Computer nicht nur aus Werbeprospekten kennen, und in seiner Nachrichtenredaktion deshalb nicht unbedingt den Praktikanten, die sonst Kaffee kochen und den Redaktionsgarten harken, die eigene Open-Source-Sparte anvertraut.
Um so bedrückender ist natürlich diese Meldung:
Unix-System PC-BSD 10.0 bringt moderne Linux-Desktops mit
Ja, PC-BSD 10.0 wurde veröffentlicht, und es ist (anders als Linux) tatsächlich ein Unix-System und tut nicht nur so. Da endet meine Zustimmung zur Überschrift aber auch schon.
Dass die „modernen Linux-Desktops“ – gemeint sind unter anderem Cinnamon und Gnome 3 – Konzepte umsetzen, die es schon viele Jahre vor einem „Linux-Desktop“ gab, ist womöglich nicht zielführende Erbsenzählerei. Die Begriffskombination „moderner Linux-Desktop“ ist trotzdem interessant: Bedeutet das, dass moderne Desktops allesamt Importe aus Linux sind? CDE zum Beispiel (das die ersten Versionen von Xfce inspirierte) war jahrelang Standarddesktop in der Unix-Welt (ist allerdings noch nicht in FreeBSD/PC-BSD enthalten); von einfachen Fensterverwaltern wie twm, dessen erste Version 1987 – vier Jahre vor Linux FREAX 0.0.1 – herauskam, reden wir lieber gar nicht erst. Die meisten Desktops wie Enlightenment und Xfce sind Desktops für „unixoide Systeme“ oder schlicht „für X“, also für das Grafiksystem, das Linux aus der Unixwelt geschenkt bekam.
PC-BSD 10.0 bringt also keine „Linux-Desktops“ mit, sondern weitgehend plattformunabhängige Desktopumgebungen. So weit zur Überschrift.
Aber Thorsten „thl“ Leemhuis hat offensichtlich nicht nur von Linux, sondern auch von BSD keine Ahnung. Im Text folgt nämlich folgender Schenkelklopfer:
PC-BSD ist wie DragonFly BSD ein Ableger von FreeBSD, der wohl populärsten Ausgabe der freien Unix-Systeme, die auf der freien Unix-Version 4.4BSDLite2 beruhen.
Knapp daneben: 4.4BSD-Lite2 wurde als letzte offizielle BSD-Version erst 1995 veröffentlicht, als FreeBSD und NetBSD schon seit etwa zwei Jahren existierten. FreeBSD und NetBSD waren zunächst Fortführungen des wegen Zeitmangels nur langsam weiterentwickelten, jedoch auf 4.3BSD-Net/2 basierenden 386BSD-Projekts; erst 1994, als mit 4.4BSD-Lite die erste vollständig von lizenzpflichtigem AT&T‑Quellcode befreite BSD-Version veröffentlicht wurde, änderte sich das.
Richtig ist, dass sowohl DragonFly BSD als auch PC-BSD Ableger von FreeBSD sind. Falsch ist die implizite Gleichsetzung. Während PC-BSD eine um ein paar grafische Spielereien erweiterte Distribution von FreeBSD ist (das Installationsprogramm von PC-BSD 10.0 kann auf Wunsch auch ein „nacktes“ FreeBSD 10.0 installieren), ist DragonFly BSD ein völlig neues System, das ursprünglich auf FreeBSD 4.8 basiert und inzwischen allerlei Erweiterungen erhalten hat, so dass man die Ähnlichkeiten (etwa ein ähnliches Portssystem) quasi mit der Lupe suchen muss, wenn man nicht gerade beim heise-Verlag „arbeitet“.
KDE läuft übrigens auch unter Windows.
(via Elias)
Immer feste drauf :). Schöne zusammenfassung der Fakten herzlichen dank für die Berichtigung.
Ich fürchte nur, es wird fruchtlos bleiben.