Zu den beklopptesten schriftlichen Diskussionsbeiträgen, auf die ich in den letzten Jahren in verschiedensten Zusammenhängen (immerhin: künstliche Intelligenz scheitert am Kontext) traf, gehört der Rückzug auf Rechtschreibhinweise, seit einigen Jahren gern in der Geschmacksrichtung „aber die Reform von 1996“.
Ich befinde mich zu meinem Bedauern in einem Alter, in dem ich nur wenig zu jung war, um mir nicht das eiserne „es heißt jetzt ‚dass‘, ‚daß‘ ist falsch!“ anzugewöhnen, obwohl ich „daß“ und „muß“ schriftbildlich wesentlich attraktiver finde als „dass“ und „muss“. Oft begegne ich im echten und auch im virtuellen Leben Menschen, denen das Vergnügen vergönnt war, die schöneren Schreibweisen verwenden zu können, ohne dass jemand mit Rotstift an den Rand des Geschriebenen gemalt hat, weshalb sie auch heute noch auf eine Anpassung ihrer Rechtschreibung an irgendwelche Änderungen seitens des Rates für deutsche Rechtschreibung verzichten. Was sollte ihnen auch zustoßen, wenn sie auch weiterhin so schreiben, wie es vor 1996 üblich war? Die Gefahr, dass ihre Deutschlehrer sie eines Abends zu Hause besuchen und ihnen dort eine Sechs geben, halte ich für – obwohl nicht völlig ausgeschlossen – doch zu vernachlässigen.
Schriftsprache dient der Kommunikation. Was leicht verstanden werden kann, ist nur „falsch“, wenn man ohne unbedingte Notwendigkeit auf die Einhaltung eines von irgendeiner als solche anerkannten Autorität verfasstes Regelwerkes beharrt. Meine Ausfertigungen eines Deutschdiktates zur Schulzeit waren meist tadellos, stets tadelarm, und dennoch vertrete ich nicht die Ansicht, es sei der Entwicklung eines Schülers zu einem vollwertigen Menschen dringend zuträglich, jedes Wort der Alltagssprache exakt so schreiben zu können, wie es anlässlich der jeweils jüngsten Revision dieses Regelwerkes als korrekt definiert worden ist.
Ob nun jemand in einem Brief, einem Blog, einem sozialen Netzwerk oder auch in einem beliebigen Webforum „das“, „daß“ oder gar „daſz“ schreibt, wenn er das meint, was der Rat für deutsche Rechtschreibung momentan als „dass“ definiert, ist nur in dem (selbst dann vor allem der Komik nützlichen) Fall von Belang, dass der solches Schreibende zuvor zum Beispiel die vermeintlich schlechte Schulbildung eines thematischen Kontrahenten belächelt hat. Ich wünschte, es würden noch mehr Menschen „total veraltet“ schreiben. Dann könnte ich mir das „dass“ vielleicht endlich auch abgewöhnen.
Uiuiui, verschiedene Dinge…
– Für Deutschlehrer*Innen hat’s nicht gereicht?
-
„Meine Ausfertigungen eines Deutschdiktates zur Schulzeit waren meist tadellos, stets tadelarm,“
Klingt holperig wegens Einzahl/Mehrzahl. 1-
*scnr*
Aber was anderes zu dem Rechtschreibnaziscreenshot:
wer das und dass/daß nicht auf die Reihe bekommt, dem gehört klar Juckpulver wo rein, aber:
„auf korrekte deutsch Orthografie“
Soll’n das sein? Fehlt da nicht noch irgendwie LAN oder Mann oder so? Und/oder muss es nicht korrekt „korrekt deutsch Orthografie Lan/Mann/Alder“ oder was die Baustelle heissen?
Deine MUTTER*IN ist eine Deutschlehrer!