Persönliches
Fro­he Ostern im Voraus!

Tja, und nun ist’s so weit, es ist wie­der Herbst, und das bedeu­tet für den Groß­teil der zeit­wei­se recht fei­er­freu­di­gen Bevöl­ke­rung: Weih­nach­ten steht vor der sprich­wört­li­chen Tür.
 
Schön, schön, Weih­nach­ten also – ein gesetz­lich auf­er­leg­ter Fei­er­tag sozu­sa­gen, an dem ich mich, genau wie an die­sem unsäg­li­chen „Halloween“-Fest, regel­mä­ßig fra­ge, was das eigent­lich soll. Gut, der Ver­gleich hinkt auf bei­den Bei­nen und ist zudem noch auf einem Auge blind, auf dem ande­ren taub; ist „Hal­lo­ween“ doch nichts ande­res als die kon­sum­freund­li­che Ver­si­on von Aller­hei­li­gen (das mir als Nicht­lu­the­ra­ner aber eben­so schnurz­piep ist). Ledig­lich mel­det sich bei mir als durch­aus geschicht­lich inter­es­sier­tem und bei­zei­ten auch infor­mier­tem alten Sack da das klei­ne Männ­lein im Ohr, und es flü­stert mir:
 
Was bit­te fei­ert die hal­be Welt an Weihnachten?
 
Die Aus­sa­gen gehen da weit aus­ein­an­der: Da wäre zum einen die indu­stri­el­le Frak­ti­on, die an Weih­nach­ten meist sich und ihre vol­len Kas­sen fei­ert. Dann gibt es da noch den Groß­teil der Bevöl­ke­rung, der fei­ert, „weil halt Weih­nach­ten ist“; beein­druckend, sol­che Begrün­dun­gen sind der Anlass, wes­halb ich gern mal einen „Tag des Sui­zids“ ein­füh­ren wür­de, nur um zu sehen, wer da mit­macht. Und schließ­lich gibt es noch die Weni­gen, die sich, unge­ach­tet ihres all­täg­li­chen Ego­is­mus‘ und Arsch­loch­tums, wenig­stens ein­mal im Jahr wie gute Chri­sten beneh­men wol­len, „weil’s halt alle machen“, und brav den „Dschie­ses“ fei­ern, ob sei­nes Lei­dens und so wei­ter. Nun, ich den­ke, Jesus wür­de sich im Grab umdre­hen, wenn er wüss­te, wie die­se Men­schen sich für den Rest des Jah­res ver­hal­ten; da kön­nen sie auch an drei bis vier Tagen im Jahr die christ­lich­sten Wesen der Milch­stra­ße sein.
 
Unter Wis­sen­schaft­lern – im Fol­gen­den mit „bzw.“ gekenn­zeich­net – gilt es all­ge­mein als erwie­sen, dass Jesus „Chri­stus“ im zar­ten Alter von ca. 71 Jah­ren in Klein­asi­en starb – vgl. z.B. Lau­rence Gard­ner: Hüte­rin des Hei­li­gen Gral -, aber was wäre das Chri­sten­tum ohne sei­nen Glauben?
Keh­ren wir zurück zur volks­tüm­li­chen Vari­an­te, die da lau­tet, dass Jesus am 24. Dezem­ber (bzw. Mit­te März) des Jah­res „0“ (bzw. ca. 6 v.Chr.) in einem Stall (der Urtext der Bibel erwähnt übri­gens an kei­ner Stel­le irgend­wel­che Och­sen und Esel; aber wei­ter im Text) zur Welt kam. So weit, so gut. Und nun wie­der mei­ne Frage:
 
Was habe ich denn bit­te damit zu tun?
 
Ich möch­te nicht, dass man mir vor­schreibt, wann ich was zu fei­ern habe. Ich als beken­nen­der bud­dhi­stisch gepräg­ter Athe­ist möch­te nicht ein­mal im Ansatz etwas mit dem Geburts­tag irgend­ei­nes toten jüdi­schen Königs zu tun haben; da vie­le von Ihnen, lie­be Leser, sich außer­halb der Weih­nachts­zeit sicher­lich auch nicht als gläu­bi­ge Chri­sten bezeich­nen: wür­den Sie denn ernst­haft den Geburts­tag Moham­meds oder Bud­dhas fei­ern, wenn Sie ihn känn­ten? Und, jetzt spricht der Generv­te aus mir, wenn mir irgend­wann vor Weih­nach­ten einer die­ser Möch­te­gern­ni­ko­läu­se die Ohren voll­bim­melt und mir fro­he Weih­nach­ten wünscht, ist’s mit mei­nem Pazi­fis­mus sowie dem ohne­hin stark stra­pa­zier­ten inne­ren Frie­den vorbei.
 
Seit der „Hei­li­ge Abend“ irgend­wann im 4. Jahr­hun­dert „zufäl­lig“ auf einen heid­ni­schen Fei­er­tag gelegt wur­de, ist viel Zeit ver­gan­gen, aber die Aus­re­den, war­um man ihn eigent­lich fei­ern soll, haben sich kaum verändert:
 
„Weih­nach­ten lässt Kin­der­au­gen leuch­ten“, das kann ich mir vor­stel­len, dass die ver­zo­ge­nen Bäl­ger sich drauf freu­en, mal eben Geschen­ke für Hun­der­te von Euro zu bekom­men, ohne dafür etwas tun zu müs­sen; und leuch­ten Kin­der­au­gen nicht täg­lich? Nein? Dann machen Sie etwas verkehrt.
 
„Weih­nach­ten, das Fest der Lie­be“, soso, und den Rest des Jah­res gehen einem die Armen und Bedürf­ti­gen am Podex vor­bei. Frü­her nann­te man sol­che Men­schen „Heuch­ler“, heu­te sind sie vom Geist der Weih­nacht beseelt; ich glau­be, Alt­phi­lo­lo­gen nen­nen das einen Euphe­mis­mus. Weih­nach­ten ist das Fest der Geschen­ke, des Kon­sums und der generv­ten Eltern, und wenn Sie mal tief in sich hin­ein schau­en, geben Sie mir sicher­lich Recht.
 
Und jetzt mal aus lite­ra­ri­scher Sicht:
 
Max Goldt hat das Weih­nachts­fest in sei­nem Buch „Vom Zau­ber des seit­lich dran Vor­bei­ge­hens“ ganz tref­fend beschrieben:

Weih­nach­ten ist eine der drei gro­ßen Volks­schwä­chen. Die ande­ren bei­den sind Autos und Fußball.

 
Weih­nach­ten steht vor der Tür?
Von mir aus kann’s erfrieren.
 
Fro­he Ostern!
– euer Pinguin