Das mit allen Wassern gewaschene SWR-Rechercheteam „Vollbild“ habe, erfuhr ich auf Tagesschau.de (Archivversion), herausgefunden, dass Heilpraktiker möglicherweise gar keine richtigen Ärzte sind.
Heilpraktikerschulen unterliegen in Deutschland keiner staatlichen Regulierung. Wie Vollbild-Recherchen zeigen, ermöglicht das fragwürdige Lehren und unseriöse Behandlungsmethoden.
Verrückt, ich weiß.
Diese Nachricht rief mir in Erinnerung, dass ich erst vor gar nicht so langer Zeit in bierseliger Runde mein Chakra aufgebessert hatte oder mein Chi. Mein Qigong. Mein Jihad. Irgendwie so was halt. Das ging wie folgt vonstatten: Einer der weiteren Beteiligten machte einen Witz über Orgonitpyramiden, ich wollte wissen, was das sei, und stieß infolge meiner dahingehend angestellten Nachforschungen in Bereiche vor, die offenbar noch nie ein im eigentlichen Sinne als solcher zu verstehender Mensch betreten hatte: Ich fand den „Tao-Tempel“.
Der „Tao-Tempel“, der sich der Einfachheit halber „Tao Tempel“ nennt, was zu wiederholen ich ausdrücklich ablehne, ist ein ulkiges Webportal mit spirituellem Blog, in dem unter anderem ein beängstigend einfältig dreinblickender Hund als Symbolbild dafür herhalten darf muss, wie ein Hund halt so aussieht, damit die weiteren Leser des Blogs wissen, für wen die „besten Kristalle“ (ebd.) für Hunde jetzt eigentlich gedacht sind. Nicht, dass sie noch versehentlich ein Mensch anlegt und dann von den Hundegeistern beschützt wird oder so. (Ich kürze das mal ab: Hunden wird der schwarze Obsidian empfohlen, damit sie kreativer werden. Kennt man ja: Man lässt einen Hund kurz mit seiner Mineraliensammlung allein, kommt wieder und der Köter hat die ganze Wohnung mit Aquarellen vollgestellt. Böser Hund.)
Orgonit jedenfalls, las ich anderswo im Blogbereich des ulkigen Webportals, sei ein Dingsbums aus Metallspänen, Kristallen und so weiter, das positive Energien kanalisiere, um Chi, Reiki und Prana (das sind keine alkoholischen Getränke und auch keine Modeschöpfer, sondern wohl ebenfalls „universelle Energien“) mit Orgon (das auch) zu ergänzen. Die ebenfalls auf der Website erhältliche Orgonitpyramide verspricht gar das Generieren neuer Orgonenergie, um damit Vibrationen aus der Luft zu entfernen. Käufer seien gewarnt: In den Rezensionen bemängelt eine Klaudia F., das Produkt sei zu klein. In der Orgonitpyramide sich bestatten zu lassen ist womöglich etwas schwieriger als erhofft. Für nur 7 Euro kann man sie allerdings zusätzlich mit Raki und Manga Reiki und Mantra segnen lassen. So günstig kommt man in der katholischen Kirche nicht davon.
Für diejenigen, deren Feng Shui keinesfalls mit einer Pyramide gestört werden soll, gibt es die Energie (von wegen Energiekrise, der Laden ist doch voll davon!) auch als Armband. Das dient nicht nur modischen Zwecken, sondern holt auch das Geld wieder rein: Man trägt es, um seine magische Kraft zu vervielfachen, und sagt dann ganz oft, dass man Geld haben will.
Ein Mantra ist Dein persönlicher Zauberspruch, mit dem Du sofort Geld anziehst. Es sollte kurz, einfach und leicht zu merken sein. Wiederhole Dein Mantra den ganzen Tag über, wann immer Du daran denkst. Einige Beispiele für Geldmantras sind „Ich bin ein Geldmagnet“ und „Ich ziehe Reichtum und Fülle in mein Leben“.
In der bierseligen Runde, die ich eingangs erwähnte, witzelten wir wohl übermäßig ausführlich über diesen Absatz, denn gerade, als wir ausgiebig Mantren gesprochen hatten, manifestierte sich eine Spende für eines meiner Projekte in meinem Posteingang. Es sind die kleinen Zufälle, es sind immer die kleinen Zufälle. Neulich zum Beispiel hörte ich nachts einen meiner Nachbarn erstaunlich laut sein Badezimmer benutzen und nur wenige Tage später bekam ich zwei Nutzpflanzen geschenkt. Wenn ich neue Nutzpflanzen brauche, muss ich jetzt nur noch daran denken, meinen Nachbarn irgendwie dazu zu bringen, nachts zu duschen.
Wir hätten das ohnehin völlig falsch gemacht, wir trugen nicht mal goldene Hosen:
Trage Kleidung, in der Du Dich stark und selbstbewusst fühlst. Wähle Farben, die für Geld stehen, wie Grün oder Gold.
Kein Wunder, dass so viele Menschen sich über einen Rückgang ihrer Kaufkraft beschweren. Die tragen immer bloß dunkelblaue (oder – viel zu oft, sofern sie weder Kellner noch Bestatter sind – schwarze) Anzüge. Dunkelblau steht aber gar nicht für Geld, sondern vielmehr für das Meer, in dem man sich spontan ertränken möchte, wenn man zu lange beim „Tao-Tempel“ verbringt, damit der Schmerz im Kopf endlich aufhört.
Das fortwährende Aufsagen des Mantras, man sei ein Geldmagnet, lasse sich, erfahre ich dort außerdem, mit „Affirmationen“ auflockern. „Affirmationen“ sind offenbar weniger zielgerichtete Mantren, die keine Energien ausschießen, sondern nur den eigenen Geist von ihrem Inhalt überzeugen sollen. Man sage also keineswegs ständig „Ich bin ein Geldmagnet. Ich bin ein Geldmagnet.“, sondern man sage „Ich bin ein Geldmagnet. Ich bin sehr attraktiv. Ich bin ein Geldmagnet. Ich bin sehr attraktiv.“, wenn man – bis zum Zäpfchen ausstaffiert mit Quarzen und Obsidianen und Jade und Perlen – in Geldfarben durch die belebte Innenstadt spaziert, denn nur so lässt sich das vermutlich nur schwer zu vermeidende feedback der übrigen Passanten in positive Energie verwandeln. Om!
In den FAQ zum Einkauf versprechen die Betreiber:
Wir bieten eine 30-Tage-Garantie an. Wenn Du die Produkte nicht magst oder sie fehlerhaft sind, dann tauschen wir sie ohne zusätzliche Kosten für Dich aus oder erstatten Dir den Kaufpreis.
Aber woran erkennt man eine fehlerhafte Orgonitpyramide eigentlich, wenn man keine grüne Jacke besitzt?
Wenn die Pyramide oben bläulich ist, dann liegt ein Herstellungsfehler vor, der Deine Chakren negativ beeinflusst. Expressversand ist ebenfalls problematisch, da er das Geldmantra stören oder gar umwandeln kann. Evtl. bleibt dann nur eine Leere (sogar eine Heimische).
Vollbild? Wtf? Bild nach ner Kiste Bier oder was?