In bierseliger Runde erzählte ich vor zwei Wochen, die meisten Probleme der Gesellschaft ließen sich lösen, indem man das bestehende Demokratiekonzept durch eine Monarchie nach Schweizer Vorbild ersetzt. Ein zufällig anwesender Radiomoderator fand das Thema noch interessanter als ich und bat mich um genauere Ausführungen.
Zwar werden diese kommenden Dienstag irgendwo im Internet zu hören sein, aber da ich meine Stimme fast noch weniger mag als Podcasts (und meine Zuneigung zu diesen ist schon sehr, sehr gering) und manchmal – etwa jetzt – ein gutes Vorbild sein möchte, veröffentliche ich hier schon mal das Typoskript zum Gesprochenen. Es möge als Anregung, keinesfalls jedoch als Anleitung dienen.
Die Führung des Staates.
Machen wir uns nichts vor: die Mehrheit der Deutschen, oft die britische Monarchie als Traumfamilie betrachtend, möchte in gewohnter Manier des Untertanen jemanden über sich wissen, der ihnen das Entscheiden abnimmt. Eine legislativ und judikativ starke Entität an der Spitze ist insofern unausweichlich, denn früher oder später wird sich eine solche ohnehin herausstellen.
Die Entscheidung, wer diese starke Entität ist, an parteipolitische Erwägungen zu knüpfen verkennt die Bedeutung des Überparteilichen. Es ergibt insofern Sinn, das bestehende Amt des Bundespräsidenten durch eine Erbmonarchie abzulösen, wie zum Beispiel der Verein „Tradition und Leben“ begründet und ausgeführt hat. Das höchste Staatsamt dem Parteienklüngel zu entziehen stärkt sowohl den Pluralismus als auch den Zusammenhalt im Volk. Der Wegfall parteibedingter Zwistigkeiten wird in meinem Modell den Dialog zugunsten des offenen Austauschs von Ideen fördern und damit auch den Zusammenhalt. Einer daraus resultierenden Aufgabe des Individuums steht die direkte Demokratie entgegen, die die Existenz politischer Minderheiten negiert, indem die relevante politische Entität das Individuum „Bürger“ und nicht mehr eine Partei ist.
Dabei muss beachtet werden, dass damit kein Übergang zur absolutistischen Monarchie verbunden sein darf: Zwar muss das Vetorecht des Staatsoberhauptes bei neuen Gesetzen erhalten bleiben, jedoch ist die Entscheidung über seinen Verbleib nicht legislativ. Das Volk kann jederzeit mit einer Mehrheit von 50% plus 1 Stimme darüber befinden, dass sein Nachfolger (in einer Erbmonarchie schnell ermittelt) übernehmen möge. Gesichert sein muss, dass der Monarch nicht über dem Gesetz steht, also im Fall von Gesetzesübertretungen in seiner Rolle als Bürger vor ordentlichen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden kann. Über eine damit verbundene Amtsenthebung möge der Souverän – dazu gleich mehr – unabhängig davon befinden.
Die Abschaffung des Monarchentums ist derweil als ungültiger Vorschlag zu definieren, jedenfalls bis auf Weiteres. Mein Monarchiemodell ohne einen Monarchen käme der Anarchie gleich und damit wieder dem Recht des Stärkeren; und das war noch nie eine gute Idee.
Die Judikative.
Der Monarch soll trotz seines Vetorechts keine salomonische Rolle spielen, das Verfassungsgericht bleibt also ebenso wie andere Gerichte von dem Wechsel vom jetzigen Monarchen, dem so genannten Bundespräsidenten, zu einem anderen Monarchen, dem Kaiser, unberührt. Nur die Quelle der Gesetze, auf deren Grundlage geurteilt werden soll, ändert sich, denn sie wird vollständig in die Hand des Souveräns gelegt. Das verhindert eine autokratische Machtergreifung.
Sichergestellt werden muss allerdings die Unabhängigkeit der Exekutive, denn eine monarchiegeneigte Polizei ist schnell ein Teil eines repressiven Polizeistaates, während monarchiegegnerische Armeen womöglich zum Staatsstreich und zur Militärregierung neigen. Beides würde die von mir vorgesehene Freiheit faktisch beenden.
Die Legislative und der Souverän.
Die Rückkehr zu einer Monarchie darf, wie gesagt, keinesfalls eine Bündelung staatlicher Gewalt mit sich bringen – der Staatschef hat, wie schon bisher, das letzte Wort in der Legislative, aber Judikative und Exekutive bleiben unabhängig. Die Gewaltenteilung muss auch mit dem Kaiser eine Maxime staatlichen Handelns bleiben. Allein in den letzten dreißig Jahren, zuvor aber auch oft genug, hat sich erwiesen, dass die gut bezahlten Entscheider – das Parlament -, die überwiegend aus der Zeit- und Geldelite des Landes rekrutiert werden, von der Lebenswirklichkeit des Volkes losgelöst sind, wozu sicherlich auch die unsägliche Sperrklausel beiträgt, die mitunter ein Fünftel der Wähler – zumeist das Fünftel derjenigen, die etwas anders machen wollen – ohne erkennbaren Mehrwert über die natürliche Hürde hinaus, die die Begrenzung der Anzahl der Sitze im Parlament ohnehin schon mit sich bringt, ihrer Stimme beraubt. Hartz IV, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg um den Kosovo und nicht zuletzt die Einrichtung staatlicher Internetzensur mitsamt damit verbundener Überwachungsfantasien hätten in direkter Abstimmung derer, die es erleiden oder bezahlen müssen, niemals eine Mehrheit bekommen, wage ich zu behaupten.
Ich vertrete nicht die Ansicht, dass andauernd neue Gesetze notwendig sind. Das Ziel ist ein gesetzlicher Grundkonsens, kein aufgeblähtes Regelwerk. Ich gehe davon aus, ein etablierter Mehrheitsentscheid würde das bestehende Gesetzeswerk vor allem erst mal deutlich kürzen und es stünden nicht jede Woche zig neue Gesetze zur Abstimmung. In Erwägung der selten wirklich nötigen Änderung geltender Legislative empfehle ich insofern eine konsequente Adaption des Schweizer Demokratiemodells: dass das Volk eben diejenige Entität ist, die über neue Gesetze bestimmen darf, wobei das Staatsoberhaupt selbstredend – wie auch bisher – das letzte Wort zu haben hat. Die Abstimmungen sollten per Brief und online stattfinden, um niemanden auszuschließen, aber auch die Hürden gering zu halten – der Deutsche zahlt hinreichend viel Geld für den „elektronischen Personalausweis“, er sollte ihn auch nutzen können. Ein Vorschlagsrecht für eine Gesetzesänderung muss jedem Bürger gegeben sein. Eine mögliche Hürde, um Systemlähmung zu verhindern, wäre eine Mindestzahl an Unterstützern für den jeweiligen Vorschlag, wobei zu beachten ist, wie viele Bürger am Ende betroffen sein werden: Ein Beschluss über eine Änderung der Gemeindeordnung eines 100-Einwohner-Dorfes sollte vermutlich eine kleinere Hürde haben als ein Beschluss über einen neuen Artikel im Grundgesetz.
Dass nicht jeder Bürger sich mit jedem Thema auskennt, ist dabei ein wichtiger Einwand; allein: Kaum ein Gesetz ist wirklich eilig – und es gibt keine Pflicht zur Teilnahme. Fast jeder hat Themen, in denen er sich besser auskennt als andere Menschen. Ein mehrheitlich beschlossenes Sozialgefüge wird mittelbar zur Expertokratie, dass eben diejenigen entscheiden, die wissen, wovon sie reden, und nicht eine nach dem Peterprinzip ausgewählte Minderheit von Fachfremden. Auch die Erhebung und Verteilung von Steuern muss Teil dieser legislativen Gewalt sein, denn die meisten Bürger, so unterstelle ich, würden gern andere Dinge auf andere Weise finanzieren als es der bestehende Staat tut.
Der Wegfall der preußischen Bürokratie zwischen Volk und Staat erleichtert im Übrigen nicht nur die Legislative, sondern auch den Umgang mit dem Monarchen, der sich, anders als der bestehende Bundespräsident, aktiv und jederzeit um Volksnähe bemühen muss.
Das bestehende Parlament, von Kommune bis Bundesebene, kann insofern nahtlos aufgelöst werden.
So weit meine erste Idee. Ein wenig Optimismus kann ich meinem Vorschlag nicht absprechen, aber Pessimismus haben wir ja jetzt schon – er regiert uns.
Bei Werner wurde der König gewürfelt und war dann für eine Woche Bestimmer.
Auch eine Option.
#beste
Wieso Erbmonarchie?
Jedes Jahr werden die Kinder eines Jahrgangs ab Grundschule getestet. Gesucht werden Empathie, Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und allgemeine Intelligenz.
Die 100 Besten werden ab dem 10. Lebensjahr in einem Internat ausgebildet. Wichtigstes Unterrichtsfach ist Ethik. Zum Ende des Ausbildung werden noch einmal die Eingangsvoraussetzungen beurteilt.
Anschließend wird aus diesen Hundert der Primus inter Pares bestellt und die restlichen 99 bilden den Kronrat. Nach 10 Jahren kommt die nächste Generation dran.
Woran misst du Einfühlungsvermögen (in Punkten)? Wie viel sind 100%?
Eine kleine Ergänzung: Sie brauchen eine Methode, um objektiv unfähige Elemente in der Thronfolge nachhaltig aus selbiger zu entfernen. Beobachtung aus Japan, wo die beiden Töchter des Kaisers hervorragend ausgebildet sind und sich ungeheurer Beliebtheit erfreuen, aber nicht Bestandteil der Thronfolge sind, so dass ein tiefenunfähiger Vollhonk zur Zeit auf Platz 1 lauert.
Was für eine Methode käme da sinnvollerweise in Frage?
Dem Monarchen sollte unbedingt ein Hofnarr zur Seite gestellt werden!
Bin dafür!
Da war ich doch erstaunt beim Lesen des Artikels, denn das Konzept deckt sich ziemlich mit dem, welches ich mir erdachte.
Klingt, als wäre es theoretisch mehrheitsfähig.
Ich empfehle dagegen die Lektüre des Buches von Jutta Ditfurth: „Der Baron, die Juden und die Nazis: Adliger Antisemitismus“
Der Adel als Hort des Widerstandes gegen die Nazis. Jutta Ditfurth räumt mit dieser Lebenslüge des Adels gnadenlos auf. Spannende Einblicke in eine kulturelle Parallelwelt, die beseelt war vom Hass auf Kommunisten und Sozialdemokraten und vor allem Juden. Kein Wunder, dass große Teile des Adels spätestens nach 1933 ein Bündnis mit den Nazis eingingen. Sehr aufschlussreich auch das Ende des Buches, in dem rechte Kontinuitäten bis in die Gegenwart deutlich werden.
PS: Anarchie heißt nicht Chaos, sondern herrschaftsfreie Gesellschaft.
Herrschaftsfreie Gesellschaft funktioniert nur in einer waffenfreien Gesellschaft.
Es gibt nur eine Lösung: Evolution. Wir sind doch auf einem sehr guten Weg.
Haben wir doch längst. Nur die Titel lauten anders.